30 - Auf fremden Pfaden
der Keule, die ihm aus der Hand geschleudert wurde. Im nächsten Augenblick hatte ihn Jan beim hohen Schopf erfaßt, riß sein Pferd herum und sprengte, grad als wir das Regiment erreichten und mit umgekehrten Roers in dasselbe eindrangen, ihn nach sich schleppend, im sausenden Galopp nach dem Halteplatz von Kees Uys. Sikukuni war gefangen.
Die Kunde davon verbreitete sich im Augenblick über das ganze Zuluheer, welches nun einer Herde ohne Hirten glich. Ein Regiment nach dem andern ging zu Somi über und streckte die Waffen, und noch vor Einbruch der Dunkelheit standen wir als Sieger auf dem Platz, der so viel Blut getrunken hatte, daß wir in demselben förmlich wateten. Die Kolonialpolitik eines großen europäischen Staates hatte wieder einmal Tausenden von Menschen das Leben gekostet.
Am späten Abend saßen wir beim hochlodernden Lagerfeuer alle beisammen, die wir uns drüben jenseits der Berge kennen gelernt hatten. Der Boer van het Roer war der Held des Tages; er hatte mit einem einzigen verwegenen Griff Sikukuni seine Freiheit und sein Königreich genommen, dafür aber blutete er aus drei Lanzenwunden, welche ihm kein anderer als Somi selbst verband. –
Daß die Boers dann den Engländern noch mehrere Schlappen beibrachten, ist bekannt; der dadurch gerettete Staat wurde ‚Südafrikanische Republik‘ genannt.
Später konstituierten sich die Boers wirklich als Batavisch-Afrikanische Maatschappij, welche sich freilich gegen die heimlichen und offenen Angriffe der Engländer nicht lange zu halten vermochte. Der biedere, kraftvolle Boer wird verschwinden vom Kapland, wie es mir Uys bei unserm ersten Zusammentreffen geweissagt hat. –
Wer heute nach Zeeland kommt und in Storkenbeek die Familie van Helmers besucht, der sieht in der Wohnstube rechts und links vom Spiegel zwei Bleistiftzeichnungen hängen; und wenn er fragt, wen diese beiden Köpfe vorstellen, so wird ihm geantwortet, daß es die Porträts von Jan und Mietje van Helmers seien, die sich verheiratet haben und so unendlich reich sind, daß sie sogar einmal ein Etui mit sechs kostbaren schwarzen Kapdiamanten nach Storkenbeek schickten, damit die armen Verwandten durch diese Gabe in etwas bessere Umstände kommen sollten. Und auf weiteres Befragen erfährt er, daß ein Mynheer aus Deutschland, der Offizier van der Gezondhait gewesen sei und mit Jan eine gewaltige Schlacht gegen die Kaffern mitgemacht habe, der Zeichner dieser Skizzen war.
Dieser Mynheer aus Deutschland hat den geschenkten Diamanten später in der Kapstadt verkauft und dadurch die Mittel zu weiteren Reisen gewonnen. Auf seinem Schreibtisch steht noch heute unter andern Raritäten eine Schnupfdose, welche einst Quimbo im Ohrläppchen trug und ihm beim Abschied mit den Worten überreichte:
„Lieb' gut' Mynheer will geh' nach heim; Quimbo wein' viel' groß' Trän', weil Quimbo nicht darf geh' mit Mynheer; aber Quimbo geb' hier' Dos' an Mynheer, damit Mynheer denk' viel an arm' schön' tapfer' Quimbo!“ – – –
Er Raml el Halahk
1. Der Khabir
Die Sonne hatte ihren Tageslauf fast ganz vollendet; darum lag ich nach der heutigen glühenden Hitze etwas entfernt von dem Brunnen vollständig im Schatten meines Reitkamels, während sich die andern Mitglieder der Karawane rund um das brackige, schlecht schmeckende Wasser niedergelassen hatten und den überschwenglichen Reden meines Chaddam (Diener) Kamil lauschten. Ich konnte jedes Wort verstehen, welches gesprochen wurde, und hörte mit heimlichem Vergnügen zu, welche Mühe er sich gab, alle meine unzähligen guten Eigenschaften in das richtige Licht zu stellen.
„Nicht wahr, du heißest Aram Ben Sakir und bist ein reicher Mann?“ fragte er den neben ihm sitzenden Handelsherrn aus Mursuk. „Wieviel bezahlst du jedem deiner Begleiter auf dieser Reise für den Tag?“
„Zweihundert Kauris“, antwortete der Gefragte bereitwilligst. „Ist das nicht genug?“
„Für deinen Besitz, ja; aber mein Sihdi (Herr) ist viel, viel reicher, als du bist. Er heißt Hadschi Kara Ben Nemsi, und in den Oasen seines Vaterlandes weiden 1.000 Pferde, 5.000 Kamele, 10.000 Ziegen und 20.000 Schafe mit fetten Schwänzen, die ihm gehören. Er gibt mir täglich einen Abu Noktah (Wörtlich: ‚Vater des Tropfens‘ = Mariatheresientaler), so daß ich reicher als du sein werde, wenn ich von ihm in mein Duar (Zeltdorf) zurückgekehrt bin. Sag, was bist du gegen ihn?“
Der Aufschneider log gewaltig, denn ich zahlte ihm nicht täglich, sondern
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