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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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(Einzahl von Tibbu) vermuten ließ. Als sie von ihren Kamelen stiegen, zählte ich sie; es waren gerade zwanzig Mann. Sie schienen eine Frau oder ein Mädchen bei sich zu haben, denn eines ihrer Kamele trug ein Tachterwahn (Frauensänfte), eines jener verhangenen, leichten Bambusgestelle, deren lange, bebänderte und bewimpelte Stangen besonders des Nachts eine außerordentlich phantastische Erscheinung bilden.
    Der Anführer der neuangekommenen Karawane schien ein sehr kriegerischer Mann zu sein, denn er plazierte seine Leute so, daß im Falle feindlicher Absichten von unserer Seite sie gegen uns im Vorteil waren. Seine Waffen bestanden aus einer langen Flinte, zwei Wurflanzen, einem Säbel und wahrscheinlich auch Messern oder Pistolen. Ich konnte nicht genau unterscheiden, was er in den Gürtelschnüren stecken hatte. Der Schech el Dschemahli begrüßte ihn mit einem Sallam und fuhr dann fort:
    „Du siehst, daß du nichts bei uns zu fürchten hast, und wirst uns verzeihen, daß wir wissen möchten, wer ihr seid.“
    Der Gefragte antwortete in stolzem Ton:
    „Wir sind Tibbu vom Stamm der Reschade und wollen nach Abo reiten.“
    „Vom Stamm der Reschade? So seid ihr doch die Todfeinde der Tuareg von Asben?“
    „Ja, das sind wir. Allah verdamme sie!“
    „Und kommt aus Westen, wo sie wohnen!“
    „Ja, daher kommen wir.“
    „So müßt ihr sehr mutige Männer sein. Wenn sich so eine kleine Zahl von Kriegern in das Land der Todfeinde wagt, so – – –“
    Er wurde durch einen Ruf unterbrochen, welcher aus dem Tachterwahn erklang. Dieser Ruf bestand aus drei oder vier Worten, welche ich nicht verstand; es schien berberisch zu sein; da mir aber nur der Dialekt der Beni-Mezab-Berber bekannt war, so vermutete ich, daß die Worte der Tuaregsprache angehörten. Und ganz eigentümlich, kaum waren sie erklungen, so stand der Khabir, dem ich mißtraute, nach einigen schnellen Schritten bei dem Tachterwahn und sprach seinerseits eine Frage aus, die ich auch nicht verstand; eine weibliche Stimme, es konnte aber auch die eines Knaben sein, antwortete hinter den Vorhängen; da aber sprang der Anführer der Tibbu hin, faßte den Khabir beim Arm, riß ihn fort und fuhr ihn zornig an:
    „Was hast du hier bei dem Sitz meiner Omm Bent zu suchen? Weiß du nicht, daß dies verboten ist? Mache dich fort von dieser Stelle!“
    Omm Bent heißt Mutter der Tochter und soll Frau bedeuten, denn das eigentliche Wort für Ehefrau spricht ein Mohammedaner niemals aus. Der Khabir stand eine Weile unbeweglich, als ob er irgendeine innere Erregung niederzukämpfen habe; sein Gesicht war wegen der Dunkelheit nicht zu erkennen; dann antwortete er in ruhig sein sollendem Ton, dem ich aber einen Zwang anhörte:
    „Omm Bent? Ich habe die Stimme für die eines Knaben gehalten.“
    „Es ist kein Knabe, und wenn es einer wäre, meinst du, daß er dich gerufen habe? Wer und was bist du denn eigentlich?“
    „Ich heiße Omar Ibn Amarah und bin der Khabir dieser Karawane.“
    „Welchem Stamm gehörst du an?“
    „Den Beni Riah, und weil ich der Khabir, also der Diener dieser Kaffilah bin, glaubte ich, einen Dienst erweisen zu können; nur darum ging ich zu dem Tachterwahn.“
    „Das mag sein; aber wir brauchen deine Dienste nicht. Wann reitet ihr fort von hier?“
    „Wir standen eben im Begriff, aufzubrechen.“
    „Auch wir wollen uns nicht verweilen, denn wir haben Eile, nach Obo zu kommen. Da ihr friedliche Leute seid, können wir bis in die Oase zusammenreiten, denn bis dahin ist unser Weg der eurige.“
    „Wir reiten nicht nach Seghedem, weil die Tuareg diese Oase und die ganze, östlich vor ihr liegende Gegend besetzt haben.“
    Der Tedetu schien zu erschrecken, denn er fuhr einige Schritte zurück und rief aus:
    „Die Tuareg, diese Hunde? Weißt du das gewiß?“
    „Ja, denn ich komme von Seghedem; ich war der Khabir einer Kaffilah, welche sie dort überfallen haben, und bin der einzige, der entkommen ist. Wir werden Seghedem vermeiden und in einem Bogen nach Westen den Brunnen Ishaya erreichen. Ostwärts können wir nicht ausweichen, weil dort die Imoscharh auch streifen.“
    Wieder sagte er Imoscharh anstatt Tuareg. Es fiel mir auf, daß er den letzten Satz besonders stark betonte. Der Weg der Tibbu führte ostwärts. Warum warnte er sie vor dieser Richtung? Er hatte doch erst nicht gesagt, daß die Tuareg auch diese Gegend besetzt hielten! War es vielleicht seine Absicht, die Tibbu zu veranlassen, mit uns nach den Magarat ess

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