30 - Auf fremden Pfaden
Verderber will er sein. Übrigens ist er nur betäubt. Untersuche ihn!“
Er kniete zu dem Khabir nieder und überzeugte sich, daß ich recht hatte, was aber seinen Zorn keineswegs minderte. Wieder aufstehend, sagte er:
„Er ist zwar nicht tot, aber du hast ihn geschlagen und sein Gewehr zerbrochen; das fordert nach dem Gesetz der Wüste dein Blut. Wir werden über dich zu Gericht sitzen müssen!“
„Haltet lieber Gericht über ihn! Ich behaupte, daß er ein Targi ist, der euch verderben will; wenn ihr es nicht glaubt, so wird euch vielleicht schon der morgige Tag beweisen, daß ich mich nicht geirrt habe. Und um mein Schicksal habe ich keine Sorge; eure Entscheidung fürchte ich nicht. Wer will mich hindern, mich auf mein Hedschihn zu setzen und fortzureiten, wenn es mir beliebt? Ihr seid zusammen nur zwölf Männer. Diese beiden kleinen abendländischen Tabangat (Pistolen), Revolver genannt, haben zweimal sechs Schüsse; das allein genügt, euch von mir fern zu halten, ohne daß ich zu den Gewehren greife. Und wie ich vermute und sehe, bist du der einzige, der sich mir wirklich feindlich gesinnt zeigt. Abram Ben Sakir kann nicht die Absicht haben, sein Leben und die Ladungen seiner Kamele in die Hände der Tuareg fallen zu lassen, und seine Leute werden damit einverstanden sein!“
„Sprich, was du willst! Du wirst die Folgen doch nicht anders machen. Faßt an, ihr Leute! Wir wollen den Khabir zum Brunnen tragen und sein Gesicht mit Wasser befeuchten, daß seine Seele zurück in das Leben kehrt.“
Sie schafften ihn hin. Mich ging er für den Augenblick nichts mehr an; ich setzte mich wieder bei meinem Hedschihn nieder und nahm, um auf alles gleich vorbereitet zu sein, einen der Revolver zur Hand. Kamil hatte sich neugierig mit hingemacht und schaute zu, was ihre Bemühungen für einen Erfolg haben würden. Sie bildeten einen Haufen von Menschen, in dem man jetzt, da es dunkel geworden war, eine Einzelbewegung nicht mehr erkennen konnte. Dann bemerkte ich, daß der Khabir zu sich gekommen war und sie beratend um ihn saßen. Zwei standen abseits und sprachen leise miteinander; es war mein Kamil, welcher mit dem Handelsherrn redete und ihm, wie ich dann erfuhr, gesagt hatte, daß ich klüger als alle die andern sei und er ja nicht auf sie, sondern auf mich hören solle, denn wenn ich einmal den Khabir für einen Targi gehalten hätte, so dürfe gar nicht daran gezweifelt werden, daß er auch wirklich einer sei. Seine eifrigen Worte fanden Gehör, denn Abram Ben Sakir kam zu mir und sagte:
„Sihdi, dein Diener sagt, daß ich mich nicht auf den Schech el Dschemahli, sondern auf dich verlassen solle. Ist es wirklich wahr, daß du diesen Mann für einen Spion der Räuber hältst?“
„Ja. Ich habe dazu mehrere Gründe, welche du, falls ich sie dir auch mitteilte, doch nicht verstehen würdest. Ich will dir nur sagen, daß ich nicht zum ersten Mal in es Sahar (Die Sahara) bin und auch außer derselben mit Menschen seines Schlages oft Erfahrungen gemacht habe. Ich habe nicht die mindeste Lust, mit nach den Bergen der Felsengrotte zu reiten und dort den Tuareg in die Hände zu fallen.“
„Allah, Wallah, Tallah! Was soll ich tun? Ich habe versprochen, mich nach den Anordnungen des Schech el Dschemahli zu richten; das wurde ausgemacht, als ich ihn mietete, und meine Leute haben mehr Vertrauen zu ihm als zu dem, was du sagst. Man wird mich überstimmen, und ich werde meine Zustimmung geben müssen, daß wir von dem Khabir geführt werden. Willst du die Güte haben, Sihdi, mir eine Bitte zu erfüllen? Verlaß mich nicht, wenn ich mit nach den Felsen muß!“
„Du hast aber ja gar nicht nötig, um meine Hilfe zu bitten; du brauchst nur ganz einfach zu erklären, daß du nicht dorthin, sondern unbedingt nach Seghedem willst!“
„Man wird mich überstimmen. Diese Leute sind ja nicht eigentlich Diener, sondern ich habe sie nur für diese Reise gemietet, und du wirst vielleicht wissen, daß nach dem Brauch der Wüste die Stimme des Gehorchenden in Zeiten der Gefahr von ganz derselben Wichtigkeit ist, wie die Stimme des sonst Befehlenden. Also verlaß mich nicht.“
„Ich will mir die Sache überlegen.“
„Ja, überlege sie dir, und laß mich dann hören oder sehen, was du beschlossen hast! Ich möchte dem Khabir trotz deines Verdachtes auch jetzt noch trauen, denn ich halte es für unmöglich, daß ein gläubiger Moslem einen so gräßlichen Meineid schwören kann.“
„Es ist aber doch kein gläubiger
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