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30 Sekunden Verzögerung

30 Sekunden Verzögerung

Titel: 30 Sekunden Verzögerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Moore Williams
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immer stärker als das Fleisch.
    „Hör’ auf zu zittern!“ befahl er sich stumm.
    Seine Glieder hörten auf zu beben, der Körper hatte seinen Meister anerkannt. Zen wußte, daß er jetzt vor der Wahl stand. Er konnte in seinen Körper zurückkehren – er konnte fortgehen, wohin es ihm beliebte. Es gab keinen Zweifel, wofür er sich entscheiden würde.
    Er kehrte in seinen Körper zurück, wie man einen Schalter dreht. Im Bruchteil einer Sekunde waren Körper und Wille wieder eins. Zen sah wieder mit seinen Augen, hörte mit seinen Ohren. Und der Körper gehorchte dem Willen, der sich als stärker erwiesen hatte.
    Zen bewegte sich fast lautlos, schnell und zielbewußt. Er riß dem Leutnant das Gewehr aus den Händen. Sekunden später war er im Besitz der Waffen der Soldaten. Er beförderte sie mit einem Fußtritt in die hinterste Ecke des Raumes und bückte sich nach Cals Pistole, die der Hand des Zerlumpten entfallen war.
    Erst jetzt wurde er sich der Tatsache bewußt, daß Nedra, die noch immer am Boden kauerte, ihn beobachtete; ihre Miene ähnelte der eines kleinen Mädchens am Morgen, kurz nach dem Erwachen. Aber Zen sah, daß Nedra eine Maske trug, und diese Maske zeigte keine Schläfrigkeit. Dazu waren ihre Augen zu weit geöffnet, und der Eindruck des Wachseins war nicht zu verkennen.
    „Hallo“, sagte Zen. „Sie haben die Vorstellung also abgeblasen?“ Er hatte seine Gedanken, kaum daß sie sich geformt hatten, so schnell ausgesprochen, daß er sie nicht mehr zurückholen konnte.
    „Sie haben es gewußt?“ fragte Nedra staunend.
    „Natürlich wußte ich es“, nickte Zen. „Als Sie, scheinbar halb im Schlaf, in meinen Armen lagen, wußte ich, daß Sie Komödie spielten. Sie hatten nichts weiter im Sinn, als mir ebenfalls Schläfrigkeit zu suggerieren.“
    „Wenn Sie es wußten – warum haben Sie mich dann nicht daran gehindert?“
    „Ich wollte sehen, wie weit Sie gehen würden“, erwiderte Zen. „Und nun kommen Sie. Wir wollen machen, daß wir hier herauskommen.“
    „Wie steht es mit den anderen? Spielen sie auch Theater?“ fragte Nedra und deutete auf die reglosen Gestalten am Boden.
    Zen lachte und deutete auf die Decke.
    „Sie sind dort oben und beobachten uns.“ Nedra starrte ihn argwöhnisch an. „Ich glaube, Sie haben den Verstand verloren, Oberst.“
    „Vielleicht. Manchmal hilft das. Kommen Sie, wir wollen verschwinden.“
    „Eine gute Idee, Oberst. Bis auf einen Punkt.“
    „Und das wäre?“
    Nedra zeigte auf den schlafenden Leutnant. „Haben Sie vergessen, was er erzählte? Er hat draußen Leute mit einem Maschinengewehr postiert.“
    „Verdammt! Das hatte ich vergessen. Macht nichts, es gibt auch für dieses Problem eine Lösung.“
    „Und welche?“
    „Diese!“ Zen ging zum Fenster, auf dessen Rahmen ein schweres MG montiert war. Er schwang es herum, so daß der Lauf die Straße hinabwies. Dann preßte er den Kolben gegen die Schulter, kniff das linke Auge ein und visierte an. Nedra packte seinen Ärmel und zerrte heftig daran.
    „Was gibt es?“ fragte Zen unwillig. „Stören Sie mich nicht! Sobald die Burschen mir ins Visier kommen …“
    „Nein!“ sagte Nedra mit fester Stimme. „Nicht!“
    „Haben Sie den Verstand verloren?“ knurrte Zen ärgerlich.
    „Wir brauchen die Männer nicht zu töten“, sagte das Mädchen. „Und warum nicht?“
    „Weil sie schon außer Gefecht gesetzt sind.“
    „Ach nein! Woher wissen Sie das?“
    „Ich weiß es.“
    Zen hob den Kopf und starrte das Mädchen aus schmalen Augen an. „Sieh’ da! Dann wissen Sie also auch, was die Männer hier in den Schlaf versenkte?“ Seine Stimme klang wie Stahl, der auf Stein trifft.
    Sie blickte ihn furchtlos an und nickte. „Ja!“
    „Wer tat es?“
    „Kommen Sie, ich werde es Ihnen zeigen!“
    Zen zögerte keine Sekunde und ging auf die Hintertür zu. Zu seiner Verwunderung sah er, daß Nedra die Tür zur Straße öffnete. „Nicht dort hinaus!“ warnte er. Er war mit zwei Sätzen neben ihr. „Seien Sie nicht leichtsinnig! Diese Tür liegt bestimmt im Schußbereich des MG’s.“
    Nedra antwortete nicht, sie tat, als habe sie Zens Worte nicht vernommen. Sie trat hinaus, und Zen folgte ihr. Die Luft war eisig, viel kälter, als es für diese Jahreszeit normal war. Nedra ging mit schnellen Schritten die Straße hinab. Nach zwanzig Metern stießen sie auf das MG, das auf einem Dreifuß montiert war. Seine Mündung war genau auf die Tür gerichtet, durch die sie das Haus

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