30 Sekunden Verzögerung
verlassen hatten. Zwei Soldaten in fadenscheinigen Uniformen lagen reglos neben der Waffe. In der nächtlichen Stille hörte man ihr Atmen, das von leisen Schnarchgeräuschen unterbrochen wurde.
„Bravo“, nickte Zen. „Ich sehe, daß Sie keinen Unsinn geredet haben. Wenn dies hier nicht Ihr Werk ist, bei wem können wir uns dann bedanken?“
„Warten Sie eine Minute, dann werden Sie die Antwort wissen“, erwiderte das Mädchen.
In der Einfahrt eines verfallenen Hauses bewegte sich eine große, undeutliche Gestalt.
„Hallo, Kinder!“ rief die Stimme, die zu dieser Gestalt gehörte.
Nedra hatte Zens Arm ergriffen, gemeinsam gingen sie der Gestalt entgegen. Zen hatte die tiefe Stimme des Mannes längst erkannt. Sam West!
West schien über das Auftauchen Zens nicht erstaunt.
„Was, zum Teufel, suchen Sie hier?“ fragte Zen, als er vor dem Mann mit dem zerfurchten Gesicht stand.
„Ich hatte geschäftlich hier zu tun“, lächelte West, und Zen hatte das Gefühl, ein Schüler zu sein, der von seinem Lehrer eine schlechte Note erhält.
„Haben Sie dafür gesorgt, daß die unfreundlichen Herrschaften dort in Schlaf fielen?“ fragte Zen weiter.
„Schläft denn jemand?“ entgegnete West und riß die Augen auf. „Nein, so etwas!“
„Ja, sie schlafen“, nickte Zen. „Zu unserem Glück.“ West wandte sich an Nedra und fragte:
„Hatten Sie Schwierigkeiten?“ Zen schien für ihn nicht mehr zu existieren.
„Gewissermaßen“, entgegnete das Mädchen. „Um genau zu sein – viel fehlte nicht, und es wäre mir übel ergangen. Ich hatte es fast aufgegeben, mit Ihnen in Kontakt zu kommen.“
„Lag daran, daß ich zu beschäftigt war“, bemerkte West. „Darum schalte ich nicht so schnell wie sonst. Der Oberst ist Ihnen gefolgt, stimmt’s?“
„Ja. Erinnern Sie sich, daß ich gleich vermutete, er würde mir folgen?“
„Woher haben Sie gewußt, daß ich hinter Ihnen her war?“ wollte Zen wissen. „Habe ich mich so ungeschickt angestellt?“ Jetzt, da er das Gewehr des Leutnants in den Händen hatte, fühlte er sich sicher und hatte sein Selbstbewußtsein wiedergewonnen.
Nedra lächelte. „Jede Frau fühlt, ob ihr ein Mann folgt“, sagte sie, und Zen fühlte sich geschmeichelt, als ihre Hand seinen Arm fester umspannte. Dann aber erstarrte er, als er Nedras nächste, an West gerichtete Worte vernahm: „Er ist ein Weltraumwesen!“
Zen fühlte, wie sich alles um ihn zu drehen begann, aber der Mann mit dem zerfurchten Gesicht schien nicht im geringsten überrascht.
„Freut mich“, sagte er, aber in seinen Worten lag eine spürbare Zurückhaltung.
„Gehen wir hinein!“ schlug Nedra vor. „Ich habe einen harten Tag hinter mir. Mir ist, als hätte ich mir alles Fleisch von den Füßen gelaufen.“
„Tut mir leid, aber …“, sagte West, ohne sich von der Stelle zu rühren.
„Was soll das heißen?“ fragte das Mädchen, und seine Stimme klang unruhig, als wittere es eine neue Gefahr. „Glauben Sie nicht, daß er wirklich zu uns gehört? Ich sage Ihnen, daß es so ist.“
„Ich sagte nicht, daß ich Ihnen keinen Glauben schenke“, erwiderte West nachsichtig. „Wie steht es aber, wenn Sie sich geirrt haben?“
„Ich habe mich nicht geirrt. Er ist mir nachgegangen. Das ist der Beweis, daß ich mich nicht täusche.“
„Lächerlich!“ knurrte West. „Männer folgen Frauen nach, seitdem es verschiedene Geschlechter gibt. Was soll werden, wenn Sie sich doch geirrt haben?“
Nedra murmelte Unverständliches, ihre Stimme hatte die Festigkeit verloren.
„Wenn es sich herausstellt, daß Sie einem Irrtum zum Opfer gefallen sind – würden Sie ihn dann erschießen?“ West dachte nicht daran, das Mädchen aus der Zange zu lassen.
„Erschießen – oh, ich weiß nicht …“ Sie brach ab, preßte die Lippen aufeinander.
„Sie kennen die Gesetze“, fuhr West hartnäckig fort. „Wir nehmen nur echte Mutanten auf.“
„Ja, ich weiß.“
„Wer jemanden mitbringt, der kein echter Mutant ist, ist verpflichtet, den Betreffenden verschwinden zu lassen. So verschwinden zu lassen, daß er nie wieder in Erscheinung treten kann.“
„Ich weiß“, wiederholte Nedra tonlos.
„Sollte dies der Fall sein, so wäre es Ihre Pflicht, den Oberst zu erschießen. Sind Sie dazu imstande?“
„Ich – ich würde es nicht gern tun“, sagte Nedra zaghaft und widerstrebend. „Aber ich glaube, ich würde es tun.“
„Hoffen wir, daß Sie nicht in die Lage kommen, Ihr Versprechen halten
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