30 Sekunden Verzögerung
Finger nicht. Es mußte ihm zu Bewußtsein gekommen sein, daß es kein normaler Schlaf war, der den Soldaten überkommen hatte.
Mißtrauisch wanderten die Augen des Leutnants von einem zum anderen. Noch immer ähnelte er einer wütenden Bestie, die fühlt, daß sie in eine Falle gegangen ist, ohne zu wissen, von welcher Seite die Gefahr droht. Seine Blicke blieben auf Cal haften.
„Ich – ich schwöre …“, stammelte Cal mit heiserer, fast unverständlicher Stimme. Auch er kämpfte gegen die schwere Müdigkeit an, die ihn erfaßt hatte.
„Was bedeutet das?“ fragte der Leutnant.
„Ich – nichts – ich habe nichts getan – ich weiß nichts – ich bin genau so überrascht wie Sie“, murmelte Cal, seine letzte Kraft zusammennehmend.
„Sie lügen!“ Die Stimme des Leutnants klang wie ein Peitschenhieb.
„Nein – es ist – es ist die – Wahrheit.“ Cals Stirn sank auf die Brust, seine Stimme ähnelte der eines Betrunkenen. „Ich – weiß nicht – ist das erstemal, daß ich das erlebe – zum Teufel, Leutnant, ich – ich kann nicht mehr!“
Cal sank langsam in sich zusammen. „Müde …“, murmelte er kaum hörbar, „so – furchtbar – müde. Muß ein paar Minuten schlafen –“
Wie ein Bündel Lumpen lag er am Boden, die Knie angezogen, die Arme weit von sich gestreckt. Sein Atem ging tief und ruhig, die Anspannung war aus seinen Zügen gewichen.
Zen und das Mädchen kämpften ebenfalls gegen die Schwäche, die sie umfing. Alle Soldaten schliefen bereits, und die Stimme des Leutnants wurde leiser, verlor sich zu einem Flüstern, erstarb endlich ganz. Er glitt an der Wand herab, blieb schnarchend liegen.
Nedra schwankte, als sie sich Zen zuwandte, und er legte schnell den Arm um ihre Schultern.
„Was ist geschehen?“ fragte sie mit der Stimme eines schläfrigen Kindes.
„Ich weiß es nicht“, erwiderte Zen.
„Warum schlafen sie alle ein? Ist es denn schon so spät?“
„Sieht fast so aus.“
„Sind Sie auch so müde?“ Ihre Stimme war nur noch ein Wispern.
„Ich war nie in meinem Leben so müde wie jetzt“, nickte Zen.
„Warum – warum schlafen Sie dann nicht?“ murmelte das Mädchen. „Warum soll ich dann nicht schlafen!“ Ihre Augen schlossen sich, sie wäre zu Boden gesunken, wenn Zen sie nicht gehalten hätte. Sie wurde schwerer und schwerer in seinen Armen, und er stützte ihren schlaffen Körper sanft, bis Nedra den Boden berührte, wo sie sich mit einem erleichterten Seufzer ausstreckte. Tiefe, gleichmäßige Atemzüge hoben ihre Brust.
Zen hatte nur noch den einen Wunsch, sich ebenfalls niedersinken zu lassen und die Augen zu schließen. Jeder Muskel, jede Zelle seines Körpers schrie nach Schlaf, der Kopf sank ihm herab, seine Knie begannen nachzugeben. Er fühlte, daß er sich nur noch Sekundenbruchteile aufrecht halten konnte.
„Bleibe wach!“ knurrte ihn eine Stimme an. Er öffnete die Augen und stellte verwundert fest, daß seine eigene Stimme diese Worte gesprochen hatte.
Seine Knie gaben weiter nach, die Muskeln dehnten sich wie Gummibänder, bis seine Knie den Boden berührten. Zen stützte die Fäuste auf und kämpfte gegen das Verlangen, sich auszustrecken und die Augen zu schließen. Alles in ihm sehnte sich nach Schlaf, es mußte wunderbar sein, jeden Widerstand aufzugeben und sich einfach treiben zu lassen.
Der Kampf Muskel gegen Muskel, Nerv gegen Nerv dauerte qualvolle Minuten. Die beiden Willen, die sich in Zens Gehirn stritten, boten alle Stärke auf, den Kampf für sich zu entscheiden. Mechanisch versuchte Zen, wieder auf die Beine zu kommen, aber nur ein Knurren entrang sich seinen verzerrten Lippen.
„Steh’ auf!“ befahl er sich und wiederholte den Befehl. Der qualvolle Widerstreit seiner Empfindungen wurde zum körperlichen Schmerz, der ihn stöhnen ließ. Nie hatte Zen einen solchen Schmerz gekannt, der ihn in immer neuen Wellen durchtobte.
Klick!
Was dann geschah, geschah so plötzlich, daß es sich außerhalb jeder Zeit, jenseits jeden Raums abzuspielen schien.
7. Kapitel
In der Sekunde, als er das Geräusch des Kückens hörte, hatte Zen das Gefühl, seinem Körper entschlüpft zu sein. Der Schmerz war fort, er spürte die verzerrten Muskeln nicht mehr.
„Stehe auf!“ sagte er zu seinem Körper.
Der Körper gehorchte dem Befehl. Zuerst lösten sich die Hände vom Boden, dann die Knie. Der Körper streckte sich, stand aufrecht.
Zen war nicht überrascht. Er wußte, daß es so kommen würde. Der Wille war
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