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30 Sekunden Verzögerung

30 Sekunden Verzögerung

Titel: 30 Sekunden Verzögerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Moore Williams
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Kenntnis erhält?“
    „Man würde Sie als Helden betrachten“, erwiderte Zen ohne Zögern, obwohl er wußte, daß er log. „Man würde Ihnen jeden notwendigen Schutz und jede Hilfe gewähren.“
    „Ich spreche nicht gern das Wort ‚Lügner’ aus, Oberst“, sagte West feindselig, „aber genau das sind Sie. Ich kann Ihnen heute schon sagen, was geschehen würde. Wir würden Ihres Wohlwollens nur solange sicher sein, als wir Ihre Befehle ausführen. Sobald ich aber meinen eigenen Ideen und Anschauungen folgte, würde man mein Handeln als Verrat betrachten und die entsprechenden Maßnahmen gegen mich einleiten. Meine Ausrüstung würde beschlagnahmt werden – im Interesse der Regierung und des Volkes, wie es so schön heißen würde – und ich könnte froh sein, wenn man mich nicht vor ein Kriegsgericht mit den unvermeidlichen Folgen stellte. Seien Sie ehrlich, Oberst, so und nicht anders würde sich mein Schicksal doch gestalten, nicht wahr?“
    „Sam“, flüsterte Nedra mit einer Stimme, die von weither zu kommen schien, „etwas …“
    „Was gibt es, Nedra?“ fragte West und schien im gleichen Augenblick Zens Gegenwart vergessen zu haben.
    Das Mädchen saß starr und steif auf seinem Stuhl. Ihr Gesicht war vollkommen blutleer. „Etwas …“, begann sie ernst, aber ihre Worte, zu einem Hauch in der Stille des Raumes geworden, blieben unverständlich.
    „Nedra, was gibt es?“ fragte West drängend und blickte sich suchend um. Sein Instikt war alarmiert, alle Muskeln seines Körpers spannten sich.
    Statt einer Antwort sank Nedra zur Seite, glitt vom Stuhl und blieb bewußtlos am Boden liegen.
    Gedämpft kam aus der Ferne ein sonderbares Geräusch, wie ein hartes, rhythmisches Pochen.
    Rat-tat-tat-tat-tat …
    Zen kannte dieses Rattern, er hatte die Melodie, mit der sich der Begriff Tod verband, zu oft gehört, um ihre Bedeutung zu verkennen.
    „Maschinengewehrfeuer!“
    Schritte erklangen, die Vorhänge wurden beiseite geschoben, ein Mann taumelte in den Raum und fiel zu Boden. Zen wußte nach einem schnellen Blick, daß es sich um einen der jungen Männer handelte, die hier unten lebten. Blut rann aus einer Wunde in seinem Rücken, während er krampfhaft nach Atem rang.
    „Sie – kommen – mit Gewehren und Pistolen!“ stammelte er.
    West ließ sich neben ihm auf die Knie nieder und bettete den Kopf des Verwundeten in seinen Schoß. Sein Gesicht färbte sich dunkel, als er das Blut aus der Verletzung rinnen sah.
    „Was ist geschehen, Carl?“ fragte er leise.
    „Ich weiß nicht. Sie kamen von irgendwo, waren plötzlich da. Und schossen gleich.“
    „Wie viele waren es?“ wollte West wissen.
    Carls Augen irrten umher, blieben auf Wests Gesicht haften. „Dutzende“, keuchte er mühsam. Ein Blutstrom schoß aus seinem Mund.
    Zen hörte drei Maschinenpistolen feuern, Menschen schrien.
    Wests Lippen formten sich zu einem schmalen Strich.
    „Wie ist es möglich, daß sie die Generatoren passieren konnten?“ fragte Zen.
    „Ich weiß es nicht“, murmelte West. „Es gibt einige alte, unbenutzte Tunnels, die unbewacht sind. Vielleicht, daß sie …“
    Für Zen machte es keinen Unterschied, wie die Angreifer eingedrungen waren. Sie waren da, es galt, sich gegen sie zur Wehr zu setzen.
    „Wo sind die Waffen?“ fragte er.
    „Waffen?“ West sah ihn verständnislos an. „Wir haben keine Waffen.“
    „Auch kein Tränengas?“
    „Nichts, Oberst!“
    „Wie, zum Teufel, wollten Sie dann Ihr Werk fortsetzen? Sie mußten doch damit rechnen, daß man Ihren Unterschlupf entdecken würde.“
    West zuckte die Achseln. Der Junge in seinen Armen öffnete noch einmal die Augen, ein schwaches Lächeln glitt über seine Züge. Ein letzter Atemzug, dann hatte er ausgelitten.
    Mit kreideweißem Gesicht erhob sich West. „Er war noch nicht lange bei uns“, flüsterte er.
    Eine Frau schrie. West hob den Kopf und traf Anstalten, hinauszustürzen. Zen packte seinen Arm und hielt ihn fest.
    „Die Eindringlinge haben Gewehre“, sagte er warnend. „Soll es Ihnen ebenso ergehen wie dem Jungen dort?“
    „Ja“, nickte West. „Ich will bei ihm bleiben, ich will ihn nicht verlassen.“
    „Laufen Sie!“ sagte Zen grimmig. „Dann werden wir bald zwei Tote haben. Ich übernehme dann das Kommando und werde den Kampf aufnehmen.“
    Wests Hand fuhr über die Stirn, langsam kehrte er in die Wirklichkeit zurück.
    „Entschuldigen Sie“, murmelte er verlegen. „Sie müssen mich verstehen. Ewigkeit – Ruhe, ich

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