300 Fragen zur Saeure-Basen-Balance
entsprechend krankheitsanfällig. Wer etwas zu essen bekam, aß es möglichst gleich auf, da man ja nicht wusste, wann man wieder etwas bekam. Bei den wertvollen und verderblichen Gütern Fleisch, Wurst oder Käse galt dies umso mehr. Uns allen sitzt noch der Satz »Essen wirft man nicht weg!« tief im Unterbewusstsein.
Doch schon wenige Jahre nach den Kriegen ging es den Menschen in Deutschland wirtschaftlich wieder besser, und sie hatten regelmäßig Fleisch und Wurst auf dem Speiseplan. Ab den 1950er-Jahren kam mit dem Wirtschaftswunder der allgemeine materielle Wohlstand und mit ihm die »Fresswelle«: Die meisten Menschen konnten sich nun eine reich gedeckte Tafel leisten – nicht nur an Feiertagen. So wurde über Jahrzehnte hinweg bedenkenlos vor allem »reichhaltig« gegessen. Die Nahrungsmittelindustrie entzückte die moderne Hausfrau mit immer neuen, raffinierten Fertigprodukten, die ihr die Arbeit erleichtern sollten. Menge und Genuss standen im Vordergrund. Die negativen Auswirkungen – Zunahme der Stoffwechselerkrankungen und des Körpergewichts – wurden erst in jüngerer Zeit erkannt.
Heute muss in Mitteleuropa kaum jemand hungern, doch sind längst nicht alle »satten« Menschen mit allen notwendigen Vitalstoffen versorgt. Die industrielle Verarbeitung von Lebensmitteln und die einseitige Ausnutzung der Böden hat uns volle Teller mit wenig an Nährstoffen beschert. Wir »hungern« sozusagen vor vollen Tellern. Eine ausgewogene Vollwertkost mit viel Gemüse, Obst, Kräutern und anderen frischen Zutaten kann diesen Mangel beheben und seinen Folgen vorbeugen.
Welche Reformbewegungen gab es in Deutschland?
Zu Ende des 19. Jahrhunderts war die Naturheilkunde von populären Laien wie Vincenz Prießnitz, Sebastian Kneipp und anderen geprägt. Im Gegensatz dazu wurde die Ernährungsreformbewegung von Naturwissenschaftlern und Ärzten wie Maximilian Bircher-Benner und Ragnar Berg (siehe > ) vertreten. Beide legten großen Wert auf die streng naturwissenschaftliche Begründung der Ernährungstherapie. Schon damals gingen die Ansichten über gesunde Ernährung weit auseinander. Einige Vertreter der Lebensreformbewegung engagierten sich dafür, die Gegensätze zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde zu überbrücken. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sogar einige Lehrstühle für Naturheilkunde an deutschen Universitäten errichtet.
Im Grunde geht die heutige wissenschaftliche Denkweise auf den Arzt Rudolf Virchow zurück, der die Zelle in den Vordergrund stellte und das darumliegende Bindegewebe ignorierte, dessen Beschaffenheit für den Stoffwechsel entscheidend ist. Zur Ernährung äußerte er sich 1868: »Eine streng wissenschaftliche Diätetik ist bis jetzt noch unmöglich.« Dies wurde offenbar von Ärzten als Verbot verstanden – mit der Folge, dass Laien sich um die Ernährung kümmerten. So führte etwa der Fuhrmann Johannes Schroth seine Schroth-Kur in die Naturheilkunde ein. Eine »Ernährungsreform« der anderen Art setzte Mitte des 19. Jahrhunderts ein: die beginnende industrielle Verarbeitung und Konservierung von Lebensmitteln sowie die starke Ausweitung von Tierhaltung und Fleischkonsum.
Die oben beschriebene Ernährungsreformbewegung zerfiel in den 1920er-Jahren in vier Hauptrichtungen: den Vegetarismus, die Rohkostbewegung, die Nährsalzbewegung sowie die basenüberschüssige Ernährung mit ihrem Hauptvertreter Ragnar Berg.
Ausgewogene Ernährung
Muss ich weniger Angst vor Vitamin- und Mineralienmangel haben, wenn ich mich basenhaltiger ernähre?
Viele unserer Patienten sind in Sorge, einen Mangel an Vitalstoffen zu haben, also an Vitaminen, Mineralien oder bioaktiven Stoffen. Dieses Thema ist seit einigen Jahren Mode geworden. Interessanterweise denken die wenigsten darüber nach, ihre Vitalstoffe aus natürlicher Nahrung zu beziehen. Der Griff zu den vielen Nahrungsergänzungsmitteln, die es in jedem Drogeriemarkt gibt, scheint den meisten Menschen attraktiver. Basenüberschüssige Nahrung ist jedoch preiswerter und schmeckt viel besser. Das Zauberwort heißt Ausgewogenheit. Wer sich abwechslungsreich mit basenüberschüssiger Frischkost ernährt, also täglich Obst und Gemüse, frische Kräuter und frische Keimlinge zu sich nimmt, muss sich vor Vitalstoffmangel nicht fürchten. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Lebensmittel aus biologischem Anbau und möglichst aus der Region stammen, also keine langen Transportwege hinter sich haben.
Muss ich einen Verlust von Muskelmasse
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