Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
301 - Libretto des Todes

301 - Libretto des Todes

Titel: 301 - Libretto des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
Vom Netzwerk:
hinter der Kaschemme bot sich ihm ein buntes Bild. Die Bäume waren mit farbigen Bändern und Lampions geschmückt. Gut zwei Dutzend bunt gekleidete Truveers saßen an den Tischen, tranken Maaisl, aßen Bratweescht und Leeberkaas, erzählten sich laut und prahlerisch Geschichten und lachten dröhnend darüber. In einer Ecke schlugen zwei Musikanten die Laute, während eine große schlanke Truveera mit einem kleinen dicken Exemplar volltrunken tanzte. Ein paar Zuseher feuerten sie begeistert an. Und brüllten vor Lachen, als das torkelnde Paar eine der Maaisl-Magden so anrempelte, dass sie alle sechs Krüge, die sie vor ihrem wogenden Busen trug, fallen ließ.
    Die gute Laune war ansteckend. Dummerweise gab es nur noch Platz an einem seitlich unter einer Linde stehenden Tisch, der vom einzigen griesgrämigen Exemplar der Gesellschaft besetzt wurde. Ein alter Truveer mit dünnen, schulterlangen grauen Haaren saß vornüber gebeugt, auf seine Arme gestützt, die er verschränkt vor sich auf der Tischplatte liegen hatte. Mit trüben Augen starrte er auf den vor ihm stehenden Maaisl-Krug.
    »Darf ich mich zu dir setzen?«, fragte Matt.
    Der Alte sah ihn kurz an. Er hatte irgendeine Flechte im Gesicht, die seine linke Seite so rot wie die untergehende Sonne leuchten ließ. »Setz dich, Freund«, erwiderte er mit rauer Stimme und kratzte sich in den ungewaschenen Haaren.
    »Danke.« Matt setzte sich tatsächlich, obwohl es ihn schon beim Zuschauen zu jucken begann. »Ich bin Maddrax. Wie kommt’s, dass du nicht fröhlich wie die anderen bist?«
    »Nenn mich Pavrotti. Und sag mir, warum ich fröhlich sein sollte, wenn doch meine besten Zeiten dahin sind?« Der alte Truveer nickte, und plötzlich stahl sich ein Lächeln auf sein faltiges Gesicht. »Früher, weißt du, Maddrax, da war ich jung, schön und voller Kraft. Die Welt gehörte mir, ich war der Liebling der Götter. Niemand verstand die Masique, die beste Kunst unserer Zunft, so perfekt in Szene zu setzen. Die Opera-Direktoren rissen sich um mich, jeder wollte mich für die Hauptrolle haben. Ich habe es ihnen gedankt, indem ich das Publikum verzauberte.«
    Die Maaisl-Magd kam an ihren Tisch und Matt bestellte ein Weiß-Maaisl. Satt war er noch vom doppelten Frühstück.
    »Ja, Maddrax, ich war eine Legende damals«, fuhr der Alte fort, »und ich habe niemals daran gedacht, dass es einmal anders werden könnte und wie vergänglich das Leben ist. Drei Festspielmeister haben mir gehuldigt und mich sieben Jahre am Stück in der Hauptrolle bei den Meister-Wagner-Festspielen besetzt. Und schließlich hat mir die Agentuur viele Taaler geboten, wenn ich in ihre Dienste trete.«
    »Aha. Du scheinst dich gut auszukennen, Pavrotti«, sagte Matt. »Ich bin nicht von hier. Kannst du mir erklären, wie das mit euch Truveers hier in Barreut funktioniert?«
    »Wieso? Willst du dich auch bewerben?«
    »Wudan bewahre, ich kann nicht mal singen. Ich frage nur aus Interesse.«
    Pavrotti nickte und begann zu erzählen. »Die Menschen in Barreut und in weiter Umgebung lieben die Opera, weißt du? Deswegen gibt es hier zahlreiche Opera-Häuser, die mit den wunderbaren Werken, die die Operateere liefern, alle ihr Auskommen haben. Manche Direktoren werden sogar richtig reich dabei, wenn sie ein Näschen für die Stücke haben, die das Publikum wirklich hören will. Manchmal kommt es aber auch vor, dass das Stück zweitrangig ist und das Publikum nur wegen eines einzelnen Truveers kommt... so wie das bei mir der Fall war, damals. Die Leute lagen mir zu Füßen, haben mir zugejubelt, als ich noch jung war und schön...«
    »Und wie geht es weiter?«, unterbrach ihn Matt, bevor der Weltschmerz Pavrotti übermannte.
    »Nun, jedes Opera-Haus hat sein eigenes Ensemble, das die Stücke einübt, die der Direktor vor der Saison von der Agentuur kauft, verstehst du. Meistens sind es drei oder vier Stücke und die darf der Direktor gerade so aufführen lassen, wie er lustig ist, denn er hat ja die Rechte daran. Manche Operas werden von der Agentuur auch drei- oder viermal verkauft. Das ist natürlich mit einem Risiko behaftet, wenn die Werke den Einkaufspreis wegen zu großer Konkurrenz nicht wieder einspielen. In diesem Fall hilft man sich damit, berühmte Truveers, wie ich einer war, von der Agentuur zu mieten. Ja, und dann naht irgendwann der Höhepunkt einer jeden Saison: die Festspiele auf dem Hellgrünen Hügel. Der erfolgreichste Operateer der Saison darf sie inszenieren und sich aus all den

Weitere Kostenlose Bücher