304 - Allein gegen alle
schon? Ich spüre nichts!«, knurrte der große, durchtrainierte Mann.
»Geduld, Gustavo!« Giovanna legte dem Hünen eine Hand auf die stark behaarte, sich hebende und senkende Brust. »Spann doch mal die Beine und Arme an, damit der Computer die entsprechenden Reize empfangen kann.«
Carlo war stolz darauf, wie ruhig sie angesichts der angespannten Lage blieb. Sie beide hatten das Anschließen des Anzugs an einen Träger Hunderte Male durchgesprochen, es war ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Trotzdem war dies das erste Mal, dass sie es wirklich taten. Das war doppelt aufregend. Aber sie fand sogar noch die Ruhe und die richtigen Gesten, um dieses Riesenbaby in Schach zu halten. Was für eine Frau...
»Siehst du, gleich haben wir es.«
Gustavo schielte auf die Anzeigen, der Fortschrittsbalken war nun beinahe voll. »Hoffentlich geht das beim nächsten Mal schneller! Wer weiß, was die Viecher gerade anstellen. Und mit wem...«
Ein leises Warnsignal erklang, zeigte an, dass die Verbindung zwischen Computer und Mensch nun vollzogen war. Gustavo bewegte zunächst die Finger der rechten Hand. Die Übertragung funktionierte einwandfrei. Als Nächstes probierte er die Arme aus: Keine Probleme. Er fasste die losen Enden des Anzugs und legte sie übereinander, um ihn zu verschließen.
Das Gewebe klebte sich bombenfest aufeinander, verhakte sich auf atomarer Ebene. Nur noch Gustavos Gesicht lag jetzt frei. Die spezielle Taucherbrille, um die sich das Gewebe zusammenziehen würde, lag noch auf dem Versuchstisch an der Wand.
Als Letztes mussten die Beinkraftverstärker getestet werden.
»Los jetzt!« Gustavo drückte sich von der Liege an und sprang den kleinen Absatz hinab. Knapp vierhundert Pfund Gesamtgewicht knallten auf den Kunststoffboden des Forschungsbungalows. Dort, wo die Stiefel das Plastik berührten, dellte es sich nach unten aus.
»Stark!«, kommentierte Gustavo. Er führte seine Hände vors Gesicht und bewegte die einzelnen Finger. »Klappt einwandfrei.« Sein Kopf ruckte zu Carlo herum. »Gute Arbeit, Dottore! Ich fühle mich, als könnte ich Bäume ausreißen!«
Carlo lächelte matt. »Wahrscheinlich könntest du das auch, Gustavo«, sagte er. Seine Bedenken, der Anzug könne noch nicht so weit sein, im Einsatz getestet zu werden, waren nicht gänzlich verschwunden, aber es war gut, dass bis hierhin noch keine Komplikationen aufgetreten waren. Ehrlich gesagt war seine größte Angst gewesen, dass die neuronale Vernetzung nicht funktionierte. Nun, so wie es aussah, war sie gelungen. Ein toller Erfolg für ihn, Giovanna und jeden anderen Mitarbeiter an dem Projekt!
»Ich muss los!« Gustavo griff nach der Tauchermaske, die in der Lage war, den im Wasser gelösten Sauerstoff in Atemluft umzuwandeln. Eigentlich brauchte er sie nicht, wenn er an Land gegen die Angreifer kämpfen wollte, aber wer wusste schon, ob er ihnen nicht ins offene Meer würde folgen müssen?
Gustavo schob die Maske auf sein Gesicht und zog den kapuzenähnlichen Überwurf des Anzugs über den Kopf. Das Gewebe zog sich zusammen, passte sich perfekt an die Brillenkonturen an. Noch ließ der Austauscher die Umgebungsluft nach innen durch; erst wenn die Maske unter Wasser geriet, würde sich das Gerät aktivieren.
Gustavos Stimme klang gedämpft, als er sprach. »Kommt mit, wenn ihr eure Erfindung in Aktion erleben wollt.« Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich zur Schleuse. Für ihn schien festzustehen, dass sich Giovanna und Carlo das nicht entgehen lassen wollten. »Aber haltet euch im Hintergrund. Ihr wisst, wie gefährlich die Fischmenschen sind.« Das Lachen des Hünen klang wie ein Husten. »Ihr habt nicht gesehen, was sie mit den Menschen machten, die das Pech hatten, zu nahe am Beckenrand zu sein, als sie angriffen...« Nun sah er doch zurück. »Ich werde sie rächen!«
Carlo erschauderte beim Anblick des einkalten Blitzens in Gustavos Augen.
***
Als sie sich vom Forschungsbungalow in Richtung Haupthalle bewegten, hörten sie schon die aufgeregten Rufe der anderen Bunkerbewohner. Gustavo rannte voraus; der Anzug saß an ihm wie eine zweite Haut. Carlo und Giovanna hatten Mühe, mit ihm Schritt zu halten.
Das Bild, das sich ihnen am auslaufenden Ufer des Wasserbeckens bot, war an Grausamkeit kaum zu überbieten. Drei Leichen von Fischmenschen lagen am Boden, ihre Körper von zahlreichen Platzwunden übersät. Ihre blaue Haut lief bereits grau an, ihre Augen waren gebrochen. Der metallene Geruch menschlichen
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