304 - Allein gegen alle
aus dem Unterholz hervorbrachen und sich auf direktem Weg in die Fluten stürzen wollten. Gustavo kam hinter ihnen her, in der einen Hand noch ein anderes Körperteil – Carlo meinte einen Arm zu erkennen –, das er dem hintersten Flüchtigen zielgenau in den Rücken warf. Das Wesen kam ins Straucheln und schlug unweit des Beckens auf. Panisches Klacken und Schnalzen erfüllte die Luft, als sich das Monster aufzurichten versuchte, aber immer wieder einknickte. Offenbar hatte es sich beim Sturz verletzt.
Gustavo kümmerte sich zunächst um die beiden anderen Flüchtenden. Im Vorbeirennen schnappte er sich eines der herumliegenden Rohre, die die Ernter als Hiebwaffen benutzt hatten. Der Hüne wog das Metallstück in der Hand, zielte und warf das Rohr wie einen Speer. Die Leichtigkeit, mit der er das tat, beeindruckte Carlo, auch wenn er im nächsten Moment geschockt wegsah, als das Rohr den vordersten Fischmenschen durchschlug, als der gerade ins Wasser sprang.
»Was tut er da?«, flüsterte die Ratsvorsitzende tonlos. »Er soll sie vertreiben, nicht niedermetzeln!«
Auch Carlo entsetzte Gustavos Brutalität. »Keine Gnade!«, brüllte der Hüne im Taucheranzug jetzt. Carlo wandte sich wieder ihm zu – und bekam mit, wie Gustavo dem immer noch am Boden liegenden Fischmenschen im Vorbeistapfen mit voller Wucht gegen den Kopf trat. Ein sattes Knacken begleitete den Augenblick, als das Genick brach. Den Kopf beinahe im rechten Winkel verdreht, sackte das Wesen tot auf den Höhlenboden zurück.
Der letzte Fischmensch hatte sich ins Wasser abgesetzt, aber in Sicherheit war er keineswegs. Gustavo sprang ihm hinterher und tauchte ab.
Carnetto, die Ratsvorsitzende und Carlo eilten zum Beckenrand und versuchten zu erkennen, was unter Wasser vor sich ging. Sie sahen nur undeutlich, wie in etwa zehn Metern Tiefe ein Kampf auf Leben und Tod entbrannte.
Das Wesen war jetzt in seinem Element, konnte sich schneller bewegen und schwimmen, als es ein Mensch je hätte tun können. Aber Gustavo war in dem neuartigen Tauchanzug kein normaler Mensch mehr. Die Kraftverstärker ließen ihn genauso schnell durchs Wasser gleiten wie das Fischmonster, und so oft es dem Wesen gelang, sich aus dem Griff des Hünen zu entwinden, so schnell hatte Gustavo es wieder eingeholt.
Luftblasen stiegen hoch und wühlten die Oberfläche so auf, dass niemand sagen konnte, was genau vor sich ging und wer die Oberhand gewann.
Doch schließlich wurde es ruhig. Durch die unruhigen Wellen hindurch sah man, wie der schwarze Taucher das zappelnde blaue Wesen umklammert hielt. Es versuchte sich zu lösen, kam aber nicht frei, biss und schlug um sich, bis schließlich sein Widerstand erlahmte. Gustavo ließ das Wesen los. Mit dem Rücken voran stieg es an die Wasseroberfläche. Knochen oder Knorpel ragten aus dem aufgeplatzten Leib hervor.
Angewidert wandten sich die Beobachter ab.
Wenige Augenblicke später kam Gustavo mit einem Triumphschrei auf den Lippen an Land. Er riss sich die Tauchermaske vom Gesicht und rief: »Dottore! Dottore! Das Teil ist der absolute Hammer! Und das Atmen unter Wasser ist auch überhaupt kein Problem!« Er kam auf Carlo zu und wollte ihm die Hand schütteln, überlegte dann aber kurz und zog sie wieder zurück. »Lieber nicht, sonst breche ich dir noch die Hand!«
Gustavo lachte schallend. Der Kampf und die Toten schienen seiner Laune keinen Abbruch zu tun. »So, und jetzt räumen wir hier auf«, entschied er, wandte sich dem umgestürzten Kistenstapel am linken Beckenrand zu und drängte die dort bereits arbeitenden Ernter zur Seite.
Carlo sah, wie er die knapp einhundertfünfzig Pfund schweren Ernteboxen aufeinander zustapelnbegann, als wären es leere Pappkartons.
***
Die Stunden nach dem Angriff waren geprägt vom bangen Hoffen, dass die Fischmonster nicht von Rachegelüsten erfüllt mit einem weiteren Trupp in ihr Refugium eindrangen.
Sechs Menschenleben hatte es gekostet, sie abzuwehren. Sechs kostbare Leben, unwiederbringlich verloren.
Aber es hatte nur eines Mannes bedurft, dass es nicht mehr Opfer wurden. Während die Aufräumarbeiten, insbesondere um das große Becken herum, noch anhielten, ließ sich Gustavo bereits als Held feiern. Wer nicht von alleine zu ihm kommen wollte, um ihm seinen Dank auszusprechen, an den wandte sich der Hüne persönlich und wurde nicht müde zu berichten, wie er es »den Viechern gezeigt hatte«, wie er es ausdrückte.
Wie er es den Viechern gezeigt hatte , das hatte sich
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