307 - Späte Vergeltung
Und die Gewehrmündung. Xij hielt die Waffe so, dass sie ständig auf den Metzger zielte, der den Rollwagen zu schieben hatte.
»Du weißt, was du zu sagen hast?«
»Ja.«
»Wenn du versagst, kann deine Frau anschaffen gehen. Ein Fehler und ich puste dir das Hirn aus dem Schädel.« Sie wusste, dass die rüde Ausdrucksweise Wirkung zeigen würde.
Sie kamen tatsächlich an mehreren Kontrollen vorbei. Der Metzger hielt sich gut. Aber wenn die Wachen wirklich auf Zack gewesen wären, hätten sie seine Angst bemerkt.
»Muss Frischfleisch in den Wohnblock der Exekutoren bringen«, begründete er, nachdem er sich jeweils per Daumenabdruck identifiziert hatte. »Dort ham’se verdorbenes Fleisch angeliefert.«
Xij, aufs Äußerste angespannt, hörte einige der Wachen leise lachen und Witze reißen.
Aber ihr verwegener Plan funktionierte. Irgendwann befanden sie sich außerhalb der Festung in einer unbelebten Seitenstraße. Es war Nacht und eisig kalt, am klaren Himmel funkelten die Sterne.
Xij wühlte sich aus dem Fleisch hervor. Mit einem Kolbenhieb betäubte sie den Metzger, schleifte ihn in einen Hauseingang und schälte ihn aus den Kleidern, um selbst hineinzuschlüpfen. Alles war ihr um mehrere Nummern zu groß.
Ihr Herz raste, als sie in den Straßen Glesgos verschwand. Die wurden gleich darauf belebter; überall schienen Nachtschwärmer unterwegs zu sein. Als ein Pärchen sie entsetzt anstarrte, wurde ihr bewusst, dass noch überall Blut an ihr klebte.
Xij wusste ungefähr, wo der Clyde verlief, der Fluss, der die Stadt teilte. Bis sie ihn erreichte, musste sie zwei Patrouillen ausweichen. Schließlich stand sie vor dem silbern schimmernden Band, das sich durch die Stadt zog. Ein Stück weiter unten sah sie die dunklen Silhouetten zweier Kriegsschiffe an den Kais liegen. Fregatten.
Xij zog sich aus und ging die breiten Treppen hinunter ins Wasser. Dort kauerte sie sich hin und wusch sich. Das kalte Wasser tat ihren Schenkeln gut. Als sie sich gerade wieder angezogen hatte, knackte es hinter ihr in der Dunkelheit.
»Was machste da?«
Xij erstarrte. Zwei Männer traten aus dem Schatten einer Hauswand. Eine Patrouille!
»Los, umdreh’n, langsam, Hände über den Kopf.«
Die junge Frau fackelte nicht lange. Sie duckte sich, griff nach dem Gewehr, das neben ihr lag, und machte einen mächtigen Satz zur Seite.
Ein anderes Gewehr ratterte los. Dicht neben ihr schlugen Kugeln in den Asphalt. Einige sirrten als Querschläger davon.
Xij warf sich herum. Noch in der Drehung entsicherte sie die Waffe mit einer Daumenbewegung und gab nun ebenfalls die erste Salve ab.
Einer der Männer schrie und taumelte unkontrolliert.
Treffer!
Der zweite hielt in ihre Richtung. Aber Xij floh wie ein Haken schlagender Gerul. Neben ihr stanzten die Geschosse in die Wände. Sie schaffte es hinter einen rostigen alten Container. Von dort schoss sie zurück und floh weiter. Kurze Zeit später hatte sie ihren Verfolger im Straßengewirr der Großstadt abgehängt.
Vor einer hell erleuchteten Wirtschaft wurde sie Zeuge, wie ein Knecht gerade ein voll aufgezäumtes Horsay vorführte. Wahrscheinlich würde dessen Besitzer in wenigen Augenblicken aus dem Schankraum kommen. Kurz entschlossen ging Xij hin, verjagte den Knecht mit vorgehaltener Waffe und schwang sich auf das Tier, das unter dem ungewohnten Reiter nervös tänzelte. Im selben Moment entdeckte sie den Kampfstock in einem Futteral an der Flanke des Tieres. Der Besitzer musste ein Exekutor sein!
Nichts wie weg von hier!
Als hinter ihr empörte Rufe aufklangen, galoppierte sie bereits in die nächste Straße hinein. Die Schmerzen an ihren Oberschenkeln brachten sie fast um die Besinnung, aber sie hielt eisern durch.
Sie musste nach Canduly Castle zurück. Dort würde sie Chan finden.
***
Canduly Castle
Matthew Drax warf einen finsteren Blick zu den Exekutoren hinauf, die auf dem Wehrgang der Burgmauer standen und wachsam die Umgebung beobachteten. Aber auch von dem, was sich innerhalb der Mauern im Burghof abspielte, entging ihnen kaum etwas. Als Soldat hatte Matt sofort bemerkt, dass sie zielsicher die strategisch wichtigen Punkte von Canduly Castle besetzt hatten.
Und Rulfan lässt sie auch noch gewähren...
Matt ging über den Burghof zum Südflügel. In den dortigen Kellerräumen lagerten größere Mengen an Dachschindeln. Er brauchte Ersatz, da einige beim Aufsetzen kaputtgegangen waren.
Der einzige Zugang wurde seit gestern, als Chan mit seinem Gefolge
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