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307 - Späte Vergeltung

307 - Späte Vergeltung

Titel: 307 - Späte Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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die Klappe gewartet wurde. Keuchend und wimmernd stieg sie drei, vier Sprossen hoch, dann verharrte sie erst einmal in der Finsternis.
    Nachdem sie wieder einigermaßen bei Kräften war, kletterte sie weiter nach oben. Zweimal rutschte sie fast an dem schmierigen Belag ab – sie wollte sich nicht vorstellen, was passierte, wenn sie unten durch die Futterluke sauste – dann erreichte sie das obere Ende.
    Xij stieß einen Laut der Enttäuschung aus, obwohl sie es geahnt hatte, weil es vollkommen finster im Schacht war: Auch der Einlass war verschlossen. Und nicht nur lose, sondern mit einem festen Deckel, der ein Scharnier aufwies, wie sie durch Tasten feststellte.
    Xij biss die Zähne zusammen und kauerte sich, so gut es ging, auf die Leiter. Nun hieß es warten. Warten auf die nächste Fütterung. Erst dann würde sich die Luke öffnen.
    Wieder lenkte sie sich durch Gedankenspiele und Erinnerungen an ihre früheren Existenzen ab, von denen ihr seit Agartha zahlreiche bewusst waren, und verlagerte ständig ihren Schwerpunkt. Jede einzelne Faser ihres Körpers schmerzte, er fühlte sich verdreht und verzerrt an. Trotzdem hielt sie sich nur mit Mühe wach.
    Sie versuchte den abgerissenen Kontakt zu der Lupa wiederherzustellen, aber es klappte nicht mehr. Was mochte wohl aus dem Tier geworden sein?
    Schließlich hörte sie ein Geräusch über sich. Sofort kam das Adrenalin. Ihr Körper spannte sich wie eine Bogensehne.
    Tatsächlich, die Luke ging auf. Künstliches Licht strömte in den Schacht. Xij duckte sich, kniff die Augen zusammen, blinzelte, hörte Hintergrundgeräusche. Etwas schob sich vor das leuchtende Viereck. Und schon rauschte es herab: eine Masse übel riechender, blutiger Innereien, die auch sie erwischten.
    Keine Zeit zum Ekeln. Die Ausstiegskante war nur einen halben Meter über ihr. Xij fasste sie, zog sich hoch, bis ihr Kopf und die Hälfte des Oberkörpers aus der Luke ragten.
    Vor ihr stand ein älterer Mann mit blutbefleckter Schürze und einem Gewehr auf dem Rücken. Er schien kurz vor einem Herzinfarkt zu stehen, als er sie aus weit aufgerissenen Augen anstarrte. Xij konnte sich vorstellen, welches Bild sie bieten musste.
    Im Moment spürte sie keine Schmerzen mehr. Sie zog ihr linkes Bein über die Kante und sprang dann vollends aus der Luke.
    Der Mann ächzte. Jetzt erst kam Bewegung in ihn. Er wollte nach dem Gewehr greifen, das er sicher nicht umsonst trug. Wahrscheinlich hatte er es aber noch nie benützen müssen, sonst hätte er sicher besser reagiert.
    So wurde er ein leichtes Opfer für Xij. Sie sprang ihn an, hebelte ihm ein Bein weg und warf ihn um. Rücklings fiel er auf seine Waffe. Für einen Moment blieb ihm die Luft weg. Xij betäubte ihn mit einem Schlag gegen die Schläfe. Dann nahm sie das Gewehr an sich, stellte mit Befriedigung fest, dass es geladen war, und sah sich um.
    Sie stand in einem breiten, gemauerten Gang, der durch elektrisches Licht erleuchtet wurde. Niemand sonst war zu sehen. Am Ende des Gangs schaute sie in einen großen Raum, in dem sechs Hälften geschlachteter Widder an Haken von der Decke hingen. Auf Schneidetischen lagen scharfe Messer und Fleischstücke. Vier Wannen waren zudem voll davon.
    Die Metzgerei also.
    Xij ging zurück und brachte den Bewusstlosen unsanft wieder zu sich. Sie erfuhr, dass sie sich momentan allein hier unten befanden, verlangte Kleidung von dem Metzger und bekam eine leidlich saubere weiße Schürze. Immerhin.
    Ob es Matt wohl anmachen würde, wenn er mich so sähe, mit Schürze und nacktem Hintern?
    Xij musste für einen Moment grinsen. Stress produzierte die seltsamsten Gedanken. Trotzdem hätte es sie interessiert.
    »Wie komme ich aus Eibrex heraus?«, zischte sie den schlotternden Metzger an und drückte ihm die Gewehrmündung unsanft in den Bauch.
    »Das... das ist völlig unmöglich«, erwiderte er. »Bitte, lass mich leben... meine Frau ist krank und braucht mich und die...«
    »Halt die Klappe. Noch mal: Gibt es einen Weg, ungesehen hier raus zu kommen?«
    »Ich sagte doch schon: nein. Jeder wird... mehrmals kontrolliert... Ich... bitte...« Er fiel auf die Knie und reckte ihr die gefalteten Hände entgegen.
    Xij Hamlet überlegte kurz. »Wenn du zu blöd bist, dann habe ich eben eine Idee...«
    Kurze Zeit später lag sie in einem Rollwagen voller blutiger Widdersteaks. Das rohe Fleisch umgab sie von allen Seiten; es fühlte sich alles andere als gut an, darauf zu liegen. Lediglich ihre Augen schauten dazwischen hervor.

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