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sie einen Raum für eine ganz neue Art von sozialem Zusammenleben geschaffen hatten. Die Wohnungen, übereinandergestapelt in Türmen mit bis zu 15 Stockwerken, waren im Vergleich zu den muffigen Substandard-Zinshäusern der Stadt luftig und gut geschnitten, versehen mit Baikonen und ausgestattet mit modernen Badezimmern.
Aber von Anfang an war die Siedlung eine Auffangstation für Zugezogene, die in die Stadt wollten und doch nie ganz dort ankamen: Arbeiter aus den österreichischen Bundesländern, aus Niederösterreich, dem Burgenland und der Steiermark. Nach und nach kamen Migranten hinzu, mit denen die anderen Bewohner täglich kleine Scharmützel um Kochgerüche, spielende Kinder und die unterschiedliche Auffassung von Lautstärke austrugen. Die Stimmung in der Gegend wurde aggressiver, die Zahl der nationalistischen und fremdenfeindlichen Schmierereien nahm zu. Ins Einkaufszentrum zogen Billigläden, auf den großen Plätzen davor tummelten sich schon tagsüber Jugendliche und Menschen ohne Arbeit, die ihren Frust in Alkohol ertränkten.
Heute ist die Siedlung renoviert, die Wohntürme leuchten in bunten Farben und die U-Bahn ist endlich fertig. Doch als ich meine Kindheit dort verbrachte, war »der Rennbahnweg« geradezu der Inbegriff eines sozialen Brennpunkts. Es galt als gefährlich, nachts das Gelände zu überqueren, und auch tagsüber war es unangenehm, an den Gruppen Halbstarker vorbeizugehen, die sich die Zeit damit vertrieben, in den Höfen herumzuhängen und Frauen Anzüglichkeiten hinterherzurufen. Meine Mutter eilte immer schnellen Schrittes durch die Höfe und Stiegenhäuser, meine Hand fest in ihrer. Obwohl sie eine so resolute, schlagfertige Frau war, hasste sie die Pöbeleien, denen sie im Rennbahnweg ausgesetzt war. So gut es ging, versuchte sie, mich zu schützen, erklärte mir, warum sie es nicht gerne sah, wenn ich im Hof spielte, und warum sie die Nachbarn als vulgär empfand. Für mich als Kind war das auf den ersten Blick natürlich nicht nachvollziehbar, aber ich befolgte ihre Anweisungen meistens.
Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie ich als kleines Mädchen immer wieder den Entschluss fasste, doch in den Hof hinunterzugehen und zu spielen. Ich bereitete mich stundenlang darauf vor, überlegte mir, was ich zu den anderen Kindern sagen würde, zog mich an und wieder um. Ich wählte Spielzeuge für die Sandkiste und verwarf sie wieder; dachte lange nach, welche Puppe ich wohl mitnehmen sollte, um Kontakt zu knüpfen. Doch wenn ich dann tatsächlich unten in den Hof trat, blieb ich immer nur wenige Minuten: Ich konnte das Gefühl nie überwinden, nicht dazuzugehören. Ich hatte die ablehnende Haltung meiner Eltern so sehr verinnerlicht, dass meine eigene Siedlung für mich eine fremde Welt blieb. Lieber flüchtete ich mich, auf meinem Bett im Kinderzimmer liegend, in Tagträumereien. Dieser rosa gestrichene Raum mit seinem hellen Teppichboden und dem gemusterten Vorhang, den meine Mutter genäht hatte und der auch tagsüber nicht aufgezogen wurde, hüllte mich schützend ein. Hier schmiedete ich große Pläne und dachte Stunden darüber nach, wohin mich mein Weg im Leben wohl führen würde. Hier in der Siedlung jedenfalls, das wusste ich, wollte ich keine Wurzeln schlagen.
* * *
Die ersten Monate meines Lebens war ich der Mittelpunkt unserer Familie. Meine Schwestern umsorgten das neue Baby, als würden sie für später üben. Die eine fütterte und wickelte mich, die andere nahm mich im Tragetuch mit ins Stadtzentrum und flanierte die Einkaufsstraßen auf und ab, wo die Passanten stehen blieben, mein breites Lächeln und meine hübschen Kleider bewunderten. Wenn sie meiner Mutter davon erzählten, war sie selig. Sie kümmerte sich hingebungsvoll um mein Außeres und staffierte mich von klein auf mit den schönsten Kleidern aus, die sie an langen Abenden für mich nähte. Sie suchte besondere Stoffe aus, blätterte in Modezeitschriften nach den neuesten Schnittmustern oder kaufte mir Kleinigkeiten in Boutiquen. Alles war aufeinander abgestimmt, selbst die Socken. Inmitten eines Stadtviertels, in dem viele Frauen mit Lockenwicklern und die meisten Männer mit Trainingshosen aus Ballonseide in den Supermarkt schlurften, war ich gekleidet wie ein kleines Model. Diese Überbetonung von Äußerlichkeiten war nicht nur ein Akt der Abgrenzung von unserem Umfeld; es war auch die Art meiner Mutter, mir so ihre Liebe zu zeigen.
Mit ihrem forschen, resoluten Wesen fiel es ihr
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