31 - Und Friede auf Erden
ebenso wie vorher Waller, im Kratong Wohnung zu nehmen. Die mit der Hafenbehörde zu erfüllenden Förmlichkeiten wurden Tom anvertraut. Wir booteten aus. Am Landungssteg wurden wir von einem Beamten empfangen, dessen erste Frage war, ob wir Waffen bei uns trügen; wir hätten sie abzuliefern und würden sie dann beim Einschiffen wiederbekommen. Die Revolver hatten wir bei uns; die Gewehre sollten uns nachgebracht werden. Als wir uns nach der Ursache dieser Maßregel erkundigten, sah der Mann uns forschend an und fragte, ob wir vielleicht Engländer seien. Raffley antwortete mit einem summarischen Ja.
„So kann ich Ihnen nur sagen, daß wir uns um Ihre Personen nicht kümmern werden“, erklärte der Beamte. „Ich frage nicht einmal nach Ihren Pässen und Namen, denn ich sehe, daß Sie Gentlemen sind. Aber wir haben grad jetzt scharfe Differenzen mit den Eingeborenen, und es gibt eine europäische Nation, welche ihnen heimlich Waffen liefert. Sie verstehen mich? Sie haben die Wahl, Ihre Gewehre und Munition entweder hier zu deponieren oder sie auf dem Schiff zu lassen.“
„Well, so wählen wir das letztere“, meinte Raffley.
Wir gaben unseren Bootsleuten die Revolver und konnten dann gehen, wohin wir wollten. Nicht einmal nach verzollbaren Gegenständen wurden wir gefragt.
„Holland handelt sehr anständig“, bemerkte Tsi.
„Ja, aber zwischen ihnen und den Eingeborenen scheint gerade jetzt der Ausbruch eines Kampfes zu drohen“, warf der Governor ein. „Wir kommen nicht zu einer für uns bequemen Zeit. Wer weiß, ob wir unsern Zweck erreichen!“
„Unbedingt!“
Tsi sagte dieses Wort in so bestimmtem Ton, daß der Governor sich ihm voll zuwandte und mit einer zwar nicht unfreundlichen, aber überlegenen Lächeln fragte:
„Wie kommen gerade Sie zu dieser mutigen Überzeugung? Die Auslösungssumme ist zwar vorhanden, aber wir brauchen sehr wahrscheinlich mehr als Geld, nämlich Einfluß, Klugheit, Mut und noch vielerlei, was einem Arzt fernzuliegen pflegt.“
Da schaute Tsi ihn frei und heiter an und antwortete:
„Danke, Mylord! Ich kenne Ärzte, welche auch klug und mutig zu handeln wissen; doch das ist Nebensache. Die Hauptsache ist, daß ich mir versprochen habe, daß Miß Waller ihren Vater wiederbekommen soll, falls er noch lebt, und dieses Versprechen werde ich halten.“
„Auch wenn wir nicht dabei wären?“
„Ja.“
„Wollen wir wetten?“
Da blitzten die Augen des Chinesen auf. Indem der Governor ihm eine Wette anbot, hatte er ihn als gesellschaftlich gleichstehend anerkannt.
„Ja!“ erklang die schnelle, kräftige Zustimmung.
„Wie hoch?“
„So hoch Sie wollen!“
Wir haben im Gehen gesprochen. Der Landungssteg lag hinter uns, und wir befanden uns am Beginn der breiten, links von Häusern und rechts meist von schattigen Bäumen eingefaßten Straße, welche vom Hafen aus linker Hand nach dem Bazar der Eingeborenen und auch nach dem Bahnhof führt. Da blieb der Governor stehen, musterte den Chinesen wie einen ihm völlig Unbekannten von oben bis ganz unten und fragte im Ton inniger Belustigung:
„Wissen Sie, was Sie da wagen?“
„Ich wage nichts!“ antwortete Tsi, wobei diese drei Worte unendlich bescheiden klangen.
„Gut! Sagen wir zwanzig Pfund, fünfzig Pfund, hundert Pfund, tausend Pfund?“
„Zweitausend Pfund, fünftausend Pfund, zehntausend Pfund?“ fuhr der Chinese lächelnd fort.
„Mann! Mensch! Chinese, Mongole, du bist verrückt!“ rief da der Governor aus.
„Warum gerade ich? Ist nicht bei jedem, der es tut, ein gewisser Teil von Verrücktheit dabei, auf das Wohl oder Wehe, auf Tod oder Leben eines seiner Mitmenschen einen Geldgewinn zu setzen!“
„Mag sein! Aber diese Sache ist so großartig interessant, wie ich noch nie jemals eine andere gefunden habe. Sie muß ausgefochten werden, wenn Sie nicht geradezu wahnsinnig sind! Wenn wir uns doch setzen könnten!“
Er sah sich um, deutete einige Häuser weit nach vorwärts und fuhr fort:
„Dort ist ein Laden. Ich sehe Flaschen. Es stehen Stühle auf der offenen Veranda. Well! Kommt alle mit!“
Er war im höchsten Grade begeistert und eilte uns voraus. Wir andern folgten. Raffley machte ein sehr besorgtes Gesicht und sagte mit unterdrückter Stimme zu mir:
„Soll ich etwa befürchten, Charley, daß Euer Bekannter sich einen Scherz mit meinem Verwandten erlaubt?“
„Das ist ausgeschlossen!“ antwortete ich.
„Aber diese Summen!“
„Warten wir es ab! Tsi ist ein
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