31 - Und Friede auf Erden
legte.
Was meinen Sejjid Omar betrifft, so war er auf der Jacht ganz wie daheim. Jedermann hatte ihn gern und jedermann erfreute sich seiner Gegenliebe. Es gab für ihn in Beziehung auf meine Person soviel wie nichts zu tun, und das war recht gut, denn er gefiel sich während dieser Fahrt darin, seine Aufmerksamkeit zwischen mir und Tsi und Mary Waller zu teilen. Von Tsi bekam er noch immer Unterricht im Chinesischen; er saß stundenlang allein, um mit lauter Stimme Hunderte von auswendig gelernten Wörtern herzusagen, versäumte aber keine Gelegenheit, mir zu wiederholen, daß es nur zwei wirkliche, vollendete Sprachen gebe, die arabische und die deutsche, und daß die chinesische eigentlich gar keine Worte, sondern nur ganz verkehrte Redensarten habe. Und was die Lady betrifft, so widmete er ihr seine unausgesetzte Dienstwilligkeit in einer Weise, welche der Verehrung glich. Das war der Einfluß edler Weiblichkeit auf einen Araber, welcher in der Anschauung aufgewachsen war, daß die Frau nichts weiter als nur des Mannes Dienerin sei.
Als wir uns Shanghai näherten, trat selbstverständlich die Frage an uns heran, ob und wie lange wir in diesem Hafen bleiben würden. Keiner wollte sie an Raffley richten, aber grad darum, weil wir keine Antwort auf sie wußten, beschäftigte sie uns um so mehr. Tsi mußte dabei nicht nur an sich, sondern auch an seinen Patienten denken, und in dieser Beziehung war es sogar seine Pflicht, zu wissen, wohin die Reise ging. Er wandte sich mit seinen Sorgen an mich, dessen Freundschaft mit Raffley auf Vermittlung rechnen ließ, und teilte mir im Vertrauen mit, daß er einen Ort kenne, welcher wie kein zweiter zur Aufnahme eines solchen, oder vielmehr dieses Kranken geeignet sei.
„Dort und nur dort allein“, sagte er, „würde Waller alles, aber auch alles finden, was für ihn nötig ist, wenn er nicht nur körperlich gesunden, sondern auch seelisch den wünschenswerten Abschluß seiner jetzigen Entwicklung erreichen soll. Aus diesem Grund muß ich wünschen, daß nicht Raffley, sondern ich es wäre, der über das Ziel unserer Fahrt zu bestimmen hat.“
Es schien ihm nicht ganz leicht zu werden, weiterzusprechen; er fuhr erst nach einigem Zögern fort:
„Ich sehe ein, daß ich aufrichtig sein und mein Geheimnis endlich vor Ihnen lüften muß, zumal Sie wohl von allem Anfang an geahnt haben, daß mein Vater etwas mehr ist, als er sich gegen Fremde merken ließ. Doch wenn ich Ihnen nun die Wahrheit sage, so denken Sie ja nicht, daß ich mit ihr prunken will. Grad die Prahlerei ist das, was uns am fernsten liegt, und was ich Ihnen sage, würden Sie ja ohnehin erfahren.“
Wir saßen miteinander allein. Niemand hörte uns. Ich gestehe, daß ich gespannt auf die endliche Lösung dieses Rätsels war. Er begann sie mit den Worten:
„Kaiser Hoang-ti, welcher fast dreitausend Jahre vor Ihrer Zeitrechnung lebte und den Grund zu unserem Staatswesen legte, gab seinen Kindern Namen, welche auf ihre Nachkommen übergehen sollten und noch heut von keinem andern getragen werden dürfen. Der Name des Sohnes, von welchem ich abstamme, war Ki. Sie sehen, daß ich mich in Beziehung auf das, was Sie Adel nennen, vor keinem Europäer zu verbergen habe. Mein Stammbaum hat nicht eine einzige Lücke, und auf keinem von allen diesen Namen ruht selbst nach den gegenwärtigen und europäischen Ehrbegriffen die geringste Schande. Mein Vater heißt Ki Tai Schin. Den Ehrennamen Tai Schin hat er direkt vom Kaiser bekommen. Er ist Mandarin der ersten Klasse und Ritter der ‚Gelben Flagge‘. Solche Ritter gibt es im ganzen, großen Reich nur fünf, und mit diesem allerhöchsten Rang ist das Recht über Leben und Tod verbunden. Ich erhielt, auch vom Kaiser, den Namen Ki Ti Weng, doch bitte ich, mich immerhin wie bisher Tsi zu nennen. Wir sind reich; ich kenne Raffleys Vermögen nicht, aber ein Vergleich sogar mit diesem Herrn würde sicher zu unseren Gunsten ausfallen. So, das als Einleitung. Ich mußte es sagen, obgleich es so sehr unbescheiden klingt.“
Es gilt, zu den Namen zu bemerken, daß Tai Schin soviel wie ‚Große Pflichttreue‘ oder ‚Große Humanität‘ heißt. Vom Kaiser selbst gegeben, war das gewiß ein vielsagender Ehrenname. Und Ti Weng heißt ‚Jüngerer Greis‘. Nach der chinesischen Bedeutung dieses Wortes Greis, welche auf Wissen, Können und Erfahrung zielt, konnte Tsi mit dieser großen Auszeichnung wohl mehr als nur zufrieden sein. Der junge Mann war aber nichts weniger als
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