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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eingebildet stolz. Er sprach weiter:
    „Als ich in Frankreich war, lernte mein Vater in Peking einen Engländer namens Blackstone kennen, den ich also nie gesehen habe, obgleich die beiden sich außerordentlich nahegetreten sind und trotz des Altersunterschiedes einander Brüder nennen. Dieser Blackstone muß ein selten begabter Mann sein, reich, human, tatkräftig, für hohe Zwecke opferwillig, kurz: von den edelsten Gesinnungen beseelt. Ich stelle mir ihn wie unsern Raffley vor. Wie es gekommen ist, das möchte ich nicht ausführlich beschreiben, aber Vater war und ist voller Begeisterung für diesen Europäer. Jeder der beiden liebt sein Vaterland von ganzem Herzen, und während Vater der Überzeugung ist, daß China zwar das volle Recht besitze, sich dem Abendland zu verschließen, aber doch klug daran tue, seine Eigenart im friedlichen Völkerverkehr zur Geltung zu bringen, wird von Blackstone der christlich lieben Anschauung das Wort gesprochen, daß für den Westen im Osten noch ungeahnte Schätze liegen, die man sich aber nicht mit dem Schwert zu erobern, sondern in freundlicher und redlicher Weise einzutauschen habe. In diesen zwei Männern kommen also Morgen- und Abendland einander in der Weise entgegen, wie es von der wahren Intelligenz, der wahren Humanität und dem wahren Christentum befohlen wird. Sie faßten den Entschluß, diese Harmonie der Gesinnung in die Tat, diese Theorie in die Praxis umzusetzen, und erwarben an der chinesischen Küste eine Landstrecke, welche groß genug und in jeder Beziehung geeignet war, diesem Zweck zu dienen. Ich weiß nicht alles, was sie da geschaffen haben, obgleich Vater mir so viel davon erzählt hat, denn er ist ja bis kürzlich fast zwei Jahre lang von dort abwesend gewesen und also über das Neueste selbst noch nicht genau unterrichtet.“
    „So ist er wohl jetzt wieder dort?“ erkundigte ich mich.
    „Ja.“
    „Und Blackstone auch?“
    „Dieser nicht. Er hat Vater geschrieben, daß er nach England müsse, aber bald zurückkehren werde. Das war vor schon längerer Zeit, so daß er also bald wieder zu erwarten ist. Ich verzichte jetzt auch deshalb darauf, Ihnen Näheres mitzuteilen, weil, wenn sich mein Wunsch erfüllt, Sie ja alles mit eigenen Augen sehen werden. Vater betrachtete Blackstone als seinen jüngeren Bruder und hat mir so viel Liebes und Edles von ihm erzählt, daß ich mich unendlich darauf freue, ihn kennenzulernen. Dorthin und nur dorthin möchte ich Waller bringen. Meinen Sie, bei Raffley erwirken zu können, daß er mir den Patienten überläßt?“
    „Ich werde es versuchen“, antwortete ich. „Ob ich es erreiche, kann ich freilich nicht sagen. Ich darf natürlich mitteilen, wer und was Sie sind?“
    „Ich bitte sogar darum. Dieses Inkognito ist unter den jetzigen Verhältnissen doch nicht länger festzuhalten.“
    Es war dann nach dem Abendessen. Raffley kam mit irgendeiner Frage zu mir in meine Kabine. Da nahm ich die Gelegenheit wahr und trug ihm vor, was ich von Tsi gehört hatte. Die Wirkung war ganz anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Er machte zunächst ein sehr erstauntes Gesicht; dann lächelte er im höchsten Grad vergnügt; hierauf wurde er wieder ernst, doch war es ein glücklicher Ernst, und als ich fertig war, nickte er befriedigt vor sich hin und sagte:
    „Wer hätte das gedacht! Also dieser Tsi ist dieser Ki Ti Weng, auf welchen wir so große Hoffnungen setzen!“
    „Wie? Sie haben schon von Ki Ti Weng gehört?“ fragte ich überrascht.
    „Gehört? Hm! Charley, hören Sie, was ich Ihnen jetzt sage!“
    Er trat vor mich hin, legte mir seine beiden Hände auf die Achseln und fuhr fort, indem er die Worte gewichtig auseinanderzog:
    „Dieser – Blackstone – bin – nämlich – ich –! Ich habe mich nach einem meiner Schlösser, Blackstone Castle, so genannt!“
    Natürlich war die Reihe, sich zu wundern, nun an mir, und dies tat ich so gründlich, daß er lachend ausrief:
    „Glauben Sie es getrost; es ist die volle reine Wahrheit! Ich werde Ihnen erzählen, wie das so gekommen ist. Aber kommen Sie heraus aus dieser Koje! Wir müssen draußen unter dem freien Himmel sein und die Sterne über uns haben, wenn ich Ihnen berichte, wo, wann und wie mir der Stern meines Lebens aufgegangen ist.“
    Wir setzten uns hinaus aufs offene Deck, und da begann er zu erzählen. Es war eine Liebesgeschichte, aber was für eine! Seelen tief, heilig ernst, die Vereinigung zweier, füreinander bestimmter Wesen zu einem

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