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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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jemand dort, ohne daß wir es gewußt hatten? Dann wurde mir ein feiner Tabaksgeruch von der leise wehenden Nachtluft zugetragen. Ich bin Kenner und roch sogleich, daß es Cumana war, den der Governor ausschließlich rauchte. Ich stand also auf und ging hinüber. Richtig, da saß er auf dem Klappsitz, der an der Holzwand angebracht war! Er hatte alles sehen und hören können, weil das Fenster hier auf der Leeseite offenstand. Seit wann war er da? Wir hatten ihn nicht kommen sehen, weil unsere Aufmerksamkeit nach dem Innern der Kajüte gerichtet gewesen war, und da wir hier an Bord fast alle Schiffsschuhe mit Gummisohlen trugen, waren seine Schritte nicht zu hören gewesen. Als er mich bemerkte, winkte er mir zu, nicht laut zu werden, und sagte in flüsterndem Ton:
    „Wollte schlafen gehen; aber Ihr Buch vom Jenseits kam mir in die Hände. Habe darin gelesen. Diese Gedanken! Wo kommen die Ihnen nur her? Haben mich heraus auf das Deck getrieben. Da sah ich Sie im Mondschein sitzen und eifrig in die Kajüte schauen. Was gab es da? Ich ging also hierher. War das etwa indiskret?“
    „Nein“, antwortete ich. „Was haben Sie gehört, Mylord?“
    „Alles, alles, von den Worten an ‚Tragt Euer Evangelium hinaus‘. Auch gesehen habe ich alles. Wunderbare Szene! Hat mich tief gepackt! Weiß gar nicht, was ich darüber denken oder gar sagen soll! Erst Ihr Buch, in welchem Sie beschreiben, was in der Sterbestunde vor sich geht, und dann diese Worte des Kranken, die aber nicht im mindesten krankhaft klingen! Wenn er nie in seinem Leben Missionar war und es auch später niemals sein sollte, in dieser Stunde aber ist er es gewesen, wenigstens für mich; das können Sie mir glauben, und das werden Sie auch sehen. Wird er vielleicht wieder sprechen?“
    „Wahrscheinlich nicht.“
    „Well! So habe ich hier auf nichts mehr zu warten. Muß mit mir ins reine kommen. Habe viel, viel zu verwalten und zu verantworten gehabt, bin aber auch einer von den Christen gewesen, deren Taten in einem anderen Ton als dem der Liebe sprechen. Habe sogar diesen Prachtmenschen, den Tsi, verachten wollen! Pfui!“
    Er tat ein paar kräftige Züge aus der Pfeife und spuckte aus, es so unentschieden lassend, ob diese Interjektion sich auf den Tabak beziehen oder eine Zensur für ihn selbst sein sollte. Dann stand er auf und begann, in langsamen Schritten zwischen Bug und Stern auf und ab zu gehen.
    Wie froh war ich über ihn! Diese tiefe Ergriffenheit! Und diese Aufrichtigkeit, mit welcher er sie eingestand; er hätte mir gar keine größere Freude machen können! Wer von solchen Dingen bloß hört oder liest, darf ja nicht denken, daß er zu einem Urteil fähig sei. Und wenn er dennoch kritisiert, so gleicht er jenem Eskimo, der nie seine Schnee-Einöde verlassen und nie eine Kirche gesehen hatte, sich aber doch für klug genug hielt, über den Glocken- und Orgelklang zu lachen, als er davon sprechen hörte. –
    Waller schlief während der ganzen Nacht ohne Unterbrechung weiter, und als am Morgen Mary kam, überließ ich es Tsi, auf ihre Fragen Antwort zu erteilen, denn der Governor nahm mich in Beschlag. Er interessierte sich ganz plötzlich sehr für psychologische Probleme und gab sich dabei so lernbereit, so mild und weich, wie ich es vorher für gar nicht möglich gehalten hätte.
    Die Fahrt verlief äußerlich ereignislos, wenn ich die Begegnungen mit anderen Schiffen nicht als Ereignisse bezeichnen will. Dieser Mangel wurde aber mehr als vollständig durch das ausgeglichen, was sich zu inneren, seelischen Begebenheiten entwickelte. Ich bin überzeugt, es gab da unter uns nicht einen einzigen, der sich den Wandlungen hätte entziehen können, welche mit Waller schon damals auf dem Dschebel Mokattam begonnen und jeden, der mit ihm in nähere Beziehung gekommen war, mit in ihren Bereich gezogen hatten. Er fuhr von Amerika nach China; aber während diese große, räumliche Bewegung vor sich ging, machte er innerlich eine Reise, welche von viel größerer Weite und Bedeutung war, denn sie führte ihn in eine solche Ferne, daß es ihm geradezu unmöglich wurde, an den Punkt, von dem sie ausgegangen war, jemals im Leben wieder zurückzukehren. Er hatte eine ihm jetzt vollständig entschwundene geistige Welt für immer verlassen und befand sich jetzt unterwegs nach einer anderen, neuen, besseren und schöneren, und ich schäme mich nicht, zu gestehen, daß wir auch auf diesem geistigen Wege seine Gefährten waren, die an allen seinen

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