31 - Und Friede auf Erden
Kulis liefen mit uns sofort von dannen. Da holte der Gentleman tief, tief Atem und sagte, indem er den Kopf schüttelte:
„Sir, ich bin ganz irr an mir! Wahrscheinlich deshalb, weil ich es früher an China gewesen bin! Was für ein Mensch, dieser Fu! Wollte ihn durch meine Würde niederschmettern; machte aber kein langes Federlesen mit mir! Sagt mir da erst, daß ich ein echter Raffley sei, und küßt mir trotz dieser Echtheit sofort beide Wangen! Das kommt mir zwar etwas summarisch vor, ist aber höchst wahrscheinlich imponierend! Und was hat er von dieser Yin gesagt? Sir, wenn sie wirklich die schönste, reinste Seele Chinas ist, so ist John der aller-, allerklügste Englishman, den es jemals gegeben hat und noch geben wird! Sein Herz! Well! Habe auch ein Herz! Jeder Engländer hat eins! Lassen wir von diesem Augenblick an nur die Herzen sprechen!“
So schnell unsere Träger liefen, die von Fu waren doch noch schneller gewesen, denn dieser stand, als wir oben ausstiegen, schon unter dem Tor, um uns als Wirt die Honneurs zu machen. Der Governor schien während dieses kurzen Weges seine Zurückhaltung vollständig aufgegeben zu haben, denn er nahm den Mandarin vertraulich beim Arm und sagte, indem er auf mich deutete:
„Mylord, ich bin England, und dieser etwas jüngere Gentleman ist Deutschland. Wir kommen zu Euch, um China mit aller uns möglichen Liebe und Güte zu erobern, aufrichtig und ohne Falsch. Wir wollen in diesem schönen Friedenswerk uns aus allen Kräften beistehen und so innig Hand in Hand miteinander gehen, saß wir Euch bitten, uns keine getrennten Wohnungen anzuweisen. Quartiert uns, wenn es möglich ist, derartig zueinander, wie der ‚unbewaffnete Friede‘ es erfordert, in dem wir mit uns, mit Euch und mit allen Menschen zu leben gesonnen sind!“
Es war ein eigenartiges, frohes und doch tief gerührtes Lächeln, welches, als er antwortete, das Gesicht des hochgestellten Mandarins noch sympathischer machte, als es so schon war. Er antwortete:
„Wie gern erfülle ich diesen Wunsch! Ihr sollt in meinem eigenen Flügel wohnen, damit ich Euch das wirklich sein kann, was ich Euch zu sein, gesonnen bin. Dies Haus, dies Dach wird Euch gehören, solange es mir selbst gehört! Und wo die Liebe Raum für Euch und mich besitzt, muß sie des treuen Dieners auch gedenken, welcher bewiesen hat, was Freundlichkeit und Güte selbst über Afrika vermögen. Also auch Sejjid Omar sei Euch zugesellt. Dann“ – hier machte er eine unnachahmliche, umfassende Bewegung mit der Hand – „dann ist die ganze ‚alte Welt‘ vereinigt und bereit“ – jetzt deutete er auf den Weg zurück, wo soeben die beiden Sänften Wallers und Marys erschienen – „nun auch die ‚neue‘ zu empfangen, um sich an ihrer Seite wieder jung zu leben!“
Die Art und Weise, in welcher er das gesagt hatte, läßt sich wohl nur durch die Wirkung deutlich machen, die es hervorbrachte. Nämlich der Governor faßte ihn hüben und drüben an, zog ihn an sich, gab ihm einen, zwei, drei herzhafte Küsse und rief, so freudig animiert wie wohl noch niemals, aus:
„Das soll nicht nur ein Wort sein, sondern ein Kontrakt, den keiner von uns brechen darf und keiner brechen wird! Das ist ein Tag, wie ich so schön noch keinen je erlebte!“
Fu konnte uns, weil Wallers eben anlangten, nicht selbst geleiten. Er erteilte den wartenden Dienern den betreffenden Befehl, und so waren wir schon nach kurzen in diesem zimmerreichen Haus so vortrefflich eingerichtet, wie der erste und zweite Teil der ‚alten Welt‘ es sich im dritten nur wünschen können. Dann saßen wir auf dem schönsten, chinesischen Seidenpolster des ganz liebreich und gesprächig gewordenen Gentleman und warteten der Dinge, die nun kommen sollten. Es war für uns selbstverständlich, daß man uns zur Vorstellung bei Yin abholen werde. Der Englishman dachte gar nicht mehr daran, auch nur das Geringste zu sagen oder zu tun, um seine ‚große Wette‘ zu gewinnen. Aber von seiner Befangenheit war er trotzdem noch nicht frei. Er hatte vor Yin noch immer das, was er Angst zu nennen beliebte, und wenn der Ausdruck auch etwas zu kräftig ist, so will ich ihn doch brauchen: er fürchtete sich vor ihr.
„Wenn ich etwas zu ihr zu sagen habe und nicht weiß was, so fallt nur gleich ein, Charley!“ bat er mich, denn seit wir zusammenwohnten, war ihm mein Vorname geläufig geworden. „Das ist von heut an Deutschlands Pflicht!“ fügte er scherzend hinzu. „Dafür komme ich
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