Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
seine Vorfahren bei Gott ein Verdienst zu erwerben, welches ihnen im Jenseits angerechnet werden muß.“
    „Vorfahren? Das grenzt ja an den chinesischen Ahnenglauben!“
    „Natürlich! Und doch wettert er so gegen ihn! Seine verstorbene Frau, eine wahre Engelsseele, milderte, so viel sie konnte. Sie hätte ihn, wenn sie am Leben geblieben wäre, wohl nicht nach China gehen lassen. Es ist ihm gelungen, durch Verbreitung jener religiösen Traditionen so eine Art von Sekte um sich zu bilden, zu welcher sehr reiche Leute gehören. Diese haben es für ein Gott wohlgefälliges Verdienst gehalten, ihn nach dem Tod seiner Frau mit den nötigen Mitteln zum Beginnen seines Missionswerkes auszustatten. Diese Mittel sind so ansehnlich, daß sie ihm sogar erlaubt haben, vorher eine Rekognoszierung durch den Orient vorzunehmen. Als mir seine Tochter das schrieb, war ich auch schon hier im Morgenland. Später teilte sie mir ihre Abreise mit, und wir bestimmten ein Rendezvous in Cambay, wo wir uns auch glücklich trafen. Sie ist in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten, mit der ich, der Nachbar und entfernt Verwandte, sie erzogen und unterrichtet habe, und ich hoffe für ihn gute Wirkung davon, daß er sie mitgenommen hat. Übrigens scheint er in neuerer Zeit einen Anstoß erhalten zu haben, seine Lehrsätze nicht so, wie früher, für absolut unfehlbar zu halten. Mary sprach aus Rücksicht auf den Vater nicht davon, und so unterließ ich es, mich zu erkundigen; aber sie unterhielten sich oft über einen Deutschen, mit dem sie in Kairo zusammengetroffen sind. Mit ihm und zwei Chinesen haben sie wiederholt Ausflüge gemacht, und ich glaube, aus ihren Bemerkungen schließen zu dürfen, daß es diesem Germanen gelungen ist, wahrscheinlich aber ohne daß er es beabsichtigt hat, den Vater zu vermögen, über seine religiöse Starrheit nachzudenken. Er kann zwar grad noch so aufbrausend und absprechend wie früher sein und genau noch so gegen heidnische Tempel und Säulen wettern, aber plötzlich wird er still, sinnt nach, und dann kommt eine weiche, friedliche, menschenfreundliche Bemerkung, die aus diesem Mund früher eine Unmöglichkeit gewesen wäre. Ich habe mein möglichstes getan, diese Augenblicke zu benützen, ihn für solche gute Stimmungen empfänglicher zu machen, glaube aber nicht, viel gewirkt zu haben, da wir uns so bald wieder trennen mußten.“
    „Sind sie dann direkt nach China?“ hörte ich den zweiten fragen.
    „O nein. Er ist ja Herr seiner selbst und Missionar aus eigener Machtvollkommenheit. Darum kann er reisen, wann, wie und wohin er will. Sein nächster Zweck war, Indien kennenzulernen und quer durch das Land nach Kalkutta zu gehen. Dort angekommen, hat er mir geschrieben. Der Brief wurde mir nachgeschickt; ich habe ihn heut erhalten. Er wird noch einige Touren an der Ostküste unternehmen und bittet mich, ihm meine Antwort nach Penang zu senden. Ich hatte heut nicht Zeit, zu schreiben, muß es aber dann nach dem Diner gleich tun, denn ich habe Mary ihr Notizbuch zu schicken, welches – ach, ja, ich habe es nicht hier in diesem vertrackten Salonanzug, sondern dort in der Brusttasche des Jacketts. Als sie mich zum letzten Male besuchte, notierte sie sich etwas und vergaß dann, es mitzunehmen; ich fand es zwar später, doch waren sie schon abgereist. Horch! Klang da nicht der Gong?“
    „Ja. Man gibt das Zeichen zum Essen.“
    „Wir können noch warten!“
    Sie verweilten sich noch einige Zeit, doch kam das durch den Tamtam unterbrochene Gespräch nicht wieder auf denselben Gegenstand. Und das war mir sehr lieb, denn wenn Mary Waller wieder erwähnt wurde und dieser Professor abermals an das Notizbuch dachte, so konnte er auf den Gedanken kommen, es aus dem Jackett zu nehmen, in welchem es ja nicht mehr steckte.
    Es war ein ganz eigentümliches Zusammentreffen von Umständen, welche sich so miteinander verbanden, als ob ein bestimmter Wille sie gerade so gelenkt hätte und nicht anders hätte lenken wollen. Man pflegt das Zufall zu nennen; für mich aber ist diese Verlegenheitserklärung nicht vorhanden. Der Mensch glaubt zu schieben, und er wird geschoben. Tritt ihm ein Ereignis nahe, welches er nicht selbstgefällig auf seine eigene Rechnung setzen kann, obwohl sich später zeigt, daß es von großem Einfluß auf sein Leben ist, so geniert es ihn, einzugestehen, daß hoch über ihm eine weise, mächtige Führung waltet, welche ihn nicht um die Erlaubnis fragt, mit ihm tun zu dürfen, was sie für

Weitere Kostenlose Bücher