31 - Und Friede auf Erden
chinesische Kaiser) heißt“, sprach er weiter. „Auch ein gewisser Tuan (der Vater des chinesischen Thronfolgers) und ein anderer, dessen Name Yung-lu (der Oberfeldherr der Chinesen) ist. Es ist eine große Prügelei, welche beginnen soll. Sie sprechen davon; sie lachen; sie freuen sich und trinken Wein und Schnaps dazu. Es geht mich nichts an, gar nichts; aber meinst du nicht, Sihdi, daß ich diesen Kun-Yen aufsuchen und warnen soll?“
„Er wohnt nicht hier. Du hast diese Leute nicht richtig verstanden. Geh ihnen aus dem Weg! Das ist das beste, was du tun kannst“, belehrte ich ihn lächelnd.
Da ich früh einen Ritt nach Paragoda machen wollte, so legte ich mich zeitig schlafen. Aber ich hatte kaum die Augen geschlossen, so kam es die Treppe herauf gepoltert und gebrüllt, als ob die Stiegen lauter Tamtams wären. Es hatte den Leuten unten nicht mehr gefallen; sie kamen herauf in meine Etage, wo sie zusammen zwei Zimmer mit je drei Betten hatten. In dem, welches neben dem meinigen lag, setzten sie sich fest. Sie feierten irgendein Ereignis, über welches sie in Wonne geraten waren. Der Wirt mußte Champagner und Kognak bringen und sie selbst bedienen, denn sie seien Gentlemen, für welche die singhalesischen oder tamilischen Kellner nicht hoch genug ständen; aus solchen Händen könne man nichts genießen.
Ich weiß gar wohl, daß die sogenannten ‚Pioneers der Zivilisation‘ nicht immer zur Elite der Gesellschaft gehören und daß man besonders in den Hafenstädten des Orients nicht erwarten darf, nur auf geistige Nachkommen von Knigge zu stoßen; es flegelt sich sogar in den Salons und auf den Promenadendecks erster Klasse unserer Lloyddampfer so mancher Passagier herum, der seinem rücksichtslosen Benehmen nach eigentlich auf das Zwischendeck gehört, und es kann vorkommen, daß, während ich ein vorüberrauschendes Schiff betrachte, eine Dame sich gerade so und in der Weise vor mich hinstellt, daß sie mich auf beide Füße tritt, obgleich mehr als genug Platz zu beiden Seiten ist; auch weiß ich gar wohl, daß die meisten dieser gesellschaftlichen oder ungesellschaftlichen Gepflogenheiten aus einer ganz bestimmten Gegend stammen und dort großgezogen werden; aber es kann mir doch nicht einfallen, aus dem Grund, daß einzelne Personen sich für Übermenschen halten, deren ganzes Volk als Übernation zu betrachten, sondern ich weiß, daß sie wie jede andere und auch die unserige ein Recht auf Nachsicht und Verzeihung hat, und pflege diese Milde besonders gern an ihren Übermenschen auszuüben, weil sie ihrer am bedürftigsten sind. Darum war ich auch jetzt entschlossen, den Lärm im Nebenzimmer, welcher immer mehr in Radau ausartete, ohne Gegenwehr über mich ergehen zu lassen.
Aber es wurde mir außerordentlich schwergemacht diesem Vorsatz treu zu bleiben. Der Wein heizte, und der Kognak brannte. Die Hilfsgeister eines falschen Patriotismus wuchsen riesengroß; das laute Sprechen, welches vom Dach über uns mit doppelter Stärke zurück und in alle Zimmer geworfen wurde, steigerte sich zum Lärm und drohte zum Skandal zu werden. Man schrie, man schimpfte, man lachte, man sang Trutzlieder; man grölte und johlte; man warf Flaschen und Gläser an die Wand, und zwar zu Ehren dieses oder jenes Ministers oder Diplomaten. Da stand ich denn doch auf, zog mich an und ging hinaus, um mir von dem Wirt ein anderes Zimmer geben zu lassen. Er stand in der ersten Etage und sprach mit Sejjid Omar, welcher wegen des wüsten Gebrülls sehr besorgt um mich war und ihn interpelliert hatte. Es gab kein anderes Zimmer. Ein vor kurzem eingelaufener Dampfer hatte neue Gäste gebracht, welche nur mit Mühe unterzubringen gewesen waren. Man fühlte sich im ganzen Hause über das Benehmen dieser Menschen empört, und als ich ihm drohte, nach einem anderen Hotel zu gehen, welchem Beispiel wohl auch die anderen Gäste folgen würden, entschloß er sich endlich, um Ruhe zu bitten. Er war einer der vielen orientalischen Wirte, auf welche das Wort Gentleman von faszinierender Wirkung ist.
Wir gingen hinauf, Sejjid Omar mit. Er wollte sich persönlich überzeugen, ob sein geliebter Sihdi auch wirklich nun die erwünschte Ruhe finden werde.
Der Lärm schwieg soeben. Es war nur eine einzelne Stimme zu hören, und der, welcher sprach, war kein Europäer, denn er bediente sich des in Südchina und besonders in der Gegend von Kanton gebräuchlichen Pitchenenglisch.
„Der Chinese, welcher auf der andern Seite neben ihnen wohnt“,
Weitere Kostenlose Bücher