31 - Und Friede auf Erden
dürfen ihn berühren, seinem Kopf, seinem Arm, seiner Hand vorsichtig eine andere Lage geben. Wenn wir keine Mörder sind, wird er erwachen, unbedingt erwachen, und es steht bei uns, ob dieses Erwachen ein freundliches, friedliches sein wird oder nicht. Die Seele kehrt am Morgen in den Körper zurück, mit ihr das Leben aller seiner Glieder, das Selbstbewußtsein und der Wille mit dem Tatendrang. Der Islam in das Medium der Seelen aller Völkerschaften, die sich zu ihm bekennen. Die Glieder dieses Riesenleibes ruhen jetzt; sie verhalten sich passiv. Wer hat Mut, ihn durch irgendeine Gewalttat aufzuwecken?“
„Ich nicht!“ scherzte der andere. „Lassen wir ihn schlafen, bis er von selbst erwacht. Er wird sich dann freilich sehr verwundert die Augen reiben, wenn er bemerkt, daß er, die Majestät von Mohammeds Gnaden, inzwischen Christ geworden ist. Halten Sie Buddha, Tao, Lao und Konfuzius vielleicht auch für solche Schläfer?“
„Nein, denn in keiner der von ihnen gelehrten Anbetungsformen liegt die Aggressivität, welche dem Christentum und dem Islam eigen ist. Hier liegt die Gefahr für uns nicht auf dem eigentlich religiösen Gebiet. Es handelt sich um den friedlichen Ausgleich zweier ganz verschiedener, in vielen Beziehungen heterogen entwickelter Menschenrassen, der weißen und der gelben. Die rote haben wir glücklich hingemordet, denn was von ihr noch übrig ist, das sind nur noch die letzten, ersterbenden Hauche einer vierhundert Jahre langen, ununterbrochenen Todesklage. Aber für die gelbe Rasse wird uns die Weltgeschichte keinen Cortez und keinen Pizarro liefern, und das ist ein Glück für uns, denn diese Weltgeschichte ist zwar langmütig, aber auch unerbittlich gerecht, und das Land, in welchem einst ‚die Sonne nicht unterging‘, ist durch den Fluch, der auf den Taten seiner einstigen Konquistadoren ruht, und trotz aller seiner berühmten ‚Silberschiffe‘ so klein und arm geworden, daß es weder Raum noch trockenes Brot und Wasser für die wenigen noch lebenden Indianer haben würde. Ein gewaltig ernstes Menetekel für uns, die wir uns eben unterfangen, den Besitz der gelben Rasse unter uns aufzuteilen! Es steht im Buch des Schicksals geschrieben, daß wer China erobern will, der muß Chinese werden. Es gibt in dieser Rasse ein Ferment, dem keine Rasse widerstehen kann. Sie wird jeden Feind assimilieren, und wer mit ihr verkehren, dabei aber dieser Aufsaugung entgehen will, der muß beherzigen, daß es nur ein einziges Mittel gibt, nämlich Freund anstatt Feind zu sein!“
„Welch ein Glück für unsern Freund Waller!“ erklang es wieder scherzend. „Er wird nicht assimiliert, denn er kommt ja doch als Freund!“
„Irren Sie nicht! Der Chinese schätzt seinen Glauben nicht niedriger ein als wir den unserigen; ja, in Beziehung auf seine mehrtausendjährigen Sitten und Anschauungen wird er uns trotz aller sonstigen Überlegenheit doch nicht anders als nur Barbaren nennen. Er wird jeden, der zu ihm kommt, um ihm für seine Religion eine andere anzubieten, für einen Dummkopf halten, und wenn dieser Ignorant bei seinem Vorsatz bleibt, so ist bis zur Feindschaft nur ein kleiner Schritt. Dazu kommt leider Wallers krankhafte Eigenart. Er ist erblich belastet.“
„Ihre alte Meinung, lieber Professor! Ich aber halte ihn zwar für außerordentlich nervös, doch nicht für geisteskrank.“
„Das habe ich auch nicht gemeint. Erblich belastet kann man auch in anderer als nur ärztlicher Beziehung sein. Erblich belastet ist für uns der Chinese in Hinsicht auf seinen Ahnenkultus, den er von den Vorfahren geerbt hat. Erblich belastet für den Chinesen ist Waller bezüglich seiner religiösen Unduldsamkeit, welche jedem Glied seiner Familie seit Generationen anerzogen worden ist. Hält er doch sogar jeden Christen, der nur im geringsten anders denkt oder glaubt als er, für ewig verdammt und verloren! Auf religiösen Kontroversen sich mit ihm einzulassen ist geradezu unmöglich, weil er jede andere Meinung als Beleidigung behandelt. Und dabei gehört sein Christentum nicht einmal einem gewissen kirchlich abgegrenzten Bekenntnis an, sondern es beruht auf den Lehrsätzen, welche sich in seiner Familie nach und nach herausgebildet haben und von den Eltern auf die Kinder vererbt worden sind. Dazu kommt, daß er seinem Vater hat versprechen müssen, Missionar zu werden, um durch die Verbreitung dieser religiösen Familientraditionen möglichst viele Heiden zu bekehren und dadurch für sich und
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