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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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da aber fuhr der Sprecher fort:
    „Jedes Volk hat nicht nur das Recht, sondern auch die volle Kraft, sich auszuleben. Und jedes Volk hat die heilige Pflicht, andere Völker sich ausleben zu lassen. Aber der Teufel der Hab- und Selbstsucht, welcher sich in das Paradies eingeschlichen hatte, um den Menschen aus dem Glück desselben heraus in das von ihm selbst beherrschte Elend zu locken, hat nicht bloß diesem einen Kain gegen diesen einen Abel die Keule in die Hand gedrückt, sondern ist, zum Brudermord reizend, an den Thronen und in den Hütten aller Zeiten und aller Völker ein finsterer Gast gewesen und schleicht sich auch durch unsere Gegenwart. Und wie es das Heiligste auf Erden, die Verehrung Gottes war, aus welcher damals die egoistische, liebeleere Faust des Mörders den scheinbaren Grund zu dem Verbrechen zog, so hat von Anfang an bis auf den heutigen Tag jeder Opfernde seinen Altar für den einzigen gehalten, der Gott gefallen müsse. Wo sind die Stätten, deren wohlgefälliger Opferduft geradeauf zum Herrn gestiegen ist? Und wer zählt die angeblichen heiligen Orte, deren schwerer, dunkler Rauch nicht zum Himmel steigen konnte, sondern verderbenbringend weithin auf die Länder fiel? Solange die Erde steht, hat das Heilige dem Unheiligen, die Menschenliebe der Eigensucht, die Zivilisation der Rücksichtslosigkeit als Vorwand gedient, und ich suche vergeblich nach einem sanften, frommen Abel unter den Völkern, den nicht irgendein Kain gehindert hätte, sich auszuleben. Wer kann die materiellen Summen und die geistigen Reichtümer berechnen, welche für die Menschheit ungehoben blieben, weil Kulturformen von der Erde verschwunden sind, welche nicht nur trotz, sondern gerade wegen ihrer Eigenart für die Allgemeinheit gewiß unermeßlich viel geleistet hätten, wenn es ihnen erlaubt worden wäre, sich bis zur Vollendung ihrer Aufgabe zu entwickeln!“
    Er machte jetzt wieder eine Pause, welche der andere nicht schweigend vorübergehen ließ, denn er sagte, und zwar in einem Ton, dem ich es anhörte, daß er dabei lächelte:
    „Ihr Lieblingsthema, lieber Professor! Aber mehr für zartfühlende Frauen als für uns Männer, die wir mitten im rücksichtslosen Leben stehen, welches uns zwingt, uns zu wehren, weil wir eben auch den Wunsch haben, uns ausleben zu dürfen. Wenn Sie in dieser Weise sprechen, ist es mir, als ob ich Miß Mary, Ihren Liebling, vor Ihnen sitzen sähe, um Ihrem Völkerevangelium gerade ebenso zu lauschen, wie einst eine andere Mary zu den Füßen eines anderen und, wenn Sie gestatten, größeren Meisters saß, um ihm zuzuhören.“
    „Ja. Fügen Sie aber auch hinzu, daß dieser Meister, Christus, zu der Schwester dieser Mary sagte: ‚Mary hat den besten Teil erwählt; der wird nicht von ihr genommen werden!‘ Mary Waller ist körperlich die Tochter ihres Vaters, seelisch das Kind ihrer Mutter, geistig aber das meinige, und ich bin stolz darauf, daß sie das ist. Wollen Sie mir entschlüpfen, indem Sie von ihr sprechen?“
    „O nein. Sie wissen ja, daß auch ich zuweilen über solche Dinge nachdenke, wenn ich dabei auch nicht zu denselben Schlüssen komme wie Sie. Für mich sind, wie auch jeder einzelne Mensch, die Völker abgetan, sobald sie nichts mehr leisten.“
    „Der einzelne Mensch auch?“
    „Ja.“
    „Darf Ihr Arbeiter schlafen?“
    „Welche Frage! Natürlich, ja!“
    „Aber er leistet doch nichts, während er schläft!“
    „Er wird, wenn er heut abend schlafen geht, dann morgen um so mehr leisten, je besser er geschlafen hat. Er holt sich vom Schlaf neue Kräfte.“
    „Well! Auch Völker schlafen. Ihr Schlaf währt freilich länger als nur eine Nacht, und wer die Notwendigkeit dieses Schlafes nicht begreift, der kann leicht versucht sein, ihn für den Tod und sie für abgetan zu halten. Aber diese schlafenden Völker wachen wieder auf, wenn ihnen der Atem nicht genommen wird. Sie haben während der Ruhe neue Kräfte gesammelt, und wenn ihr Morgen kommt, dann wehe dem, der sie für tot gehalten und sich als lachender Erbe in ihren Rechten eingenistet hat! Ich meine, daß man besonders hier im Orient vorsichtig zu sein habe. Es gibt da schlafende Riesen, welche man, wenn auch nicht für schon tot, aber doch für sterbend hält. Wenn ein Schlafender zuweilen eines seiner Glieder bewegt, soll man das nicht für Todeszuckung halten. Ein solcher Riese ist der Islam. Er schläft, und darum sehen wir an ihm nur das, was wir positives, unwillkürliches Leben nennen. Wir

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