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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Bulak bis zum Derb el Gamamis nur ‚der Almani, der allen Blinden gibt‘. Darum schaute ich stets zu dir hinüber, wenn du im Freien deinen Kaffee trankst, und als es hinter dem Bab al Ghoraib die jährliche Dschemija el Imjahn (Versammlung der Blinden) gab, da wurde von dir gesprochen und erzählt, und da wurde auch für dich zu Allah gebetet, laut und gern gebetet, obgleich jeder wußte, daß du ein Christ seist. Die Liebe macht ja alle Menschen gleich! Da wollte mein Vater dich kennenlernen; er wünschte, dich wenigstens einmal sprechen zu hören. Darum kam er zu mir und saß halbe Tage lang an meinem Stand, denn er dachte, du würdest einmal kommen und meinen Esel nehmen und dabei einige Worte reden. Aber du gingst stets vorüber, und da habe ich dich auch stets gegrüßt.“
    „Ja, höflich warst du immer, Sejjid Omar. Doch einmal bin ich nicht vorübergegangen. Du hast es nicht gesehen, denn du warst nicht da.“
    „Ja, aber der Blinde hat es mir erzählt!“
    „Er saß in der Nähe deines Standes, am Gitterzaun der Esbekijeh, ein alter, sauber gekleideter Mann mit grauem Bart. Ich gab ihm etwas, und er wollte es nicht nehmen, weil er kein Bettler sei. Ich nahm es wieder zurück, und so kamen wir ins Gespräch.“
    „Ja, gerade daß du es wiedergenommen hast, das hat ihn so gefreut. Es war ein großes Silberstück. Und noch größere Freude hat er über deine Worte gehabt: ‚Ich gab es dir, da war es dein; nun gibst du es mir, und ich danke dir, denn ich habe dich und du hast mich beschenkt!‘ Dann bist du nicht gegangen, sondern du hast dich neben ihn auf den hohen Gitterstein gesetzt und mit ihm gesprochen. Du hast von der Blindheit geredet, die noch schlimmer als die körperliche ist, und von dem Auge der Seele, welches grad bei den Blinden schärfer und heller blickt als bei den Sehenden. Du hast ihm von einem Himmel und von Sternen erzählt, von denen er bisher keine Ahnung hatte, denn sie wohnten in seinem Herzen, und er wußte es nicht. Und als du dann nach wohl einer Stunde ihm die Hand gedrückt und dich entfernt hast, hat er deinen Schritten gelauscht, bis sie verklungen waren, und ihm ist gewesen, als sei er sehend geworden, denn der Himmel und die Sterne, von denen du sprachst, sind in ihm aufgegangen, und er sieht noch heutigen Tages ihre Herrlichkeit, obgleich es außerhalb seiner Augen dunkel ist!“
    Der gute Sejjid war ja ganz poetisch geworden. Er schien sich für diesen Blinden besonders zu interessieren. Darum machte ich die Bemerkung:
    „Ich habe ihn dann leider nicht mehr gesehen; er saß nie wieder an dieser Stelle.“
    „Er kam nicht wieder, weil nun sein Herzenswunsch erfüllt war, dich einmal sprechen zu hören, oder – dieser Blinde sagt immer, sprechen zu sehen.“
    „Ich denke, diesen Wunsch hat ein anderer gehabt, nämlich dein Vater; du sagtest es ja!“
    „Ganz richtig! Aber mein Vater war eben dieser Blinde! Als er erfuhr, daß du einen Diener suchtest, befahl er mir, mich zu melden. Es bedurfte gar nicht eines Befehles, denn ich tat es selbst so gern! Und wie glücklich war er, als ich ihm nach unserer Rückkehr von den Pyramiden sagte, daß unser Wunsch erfüllt sei! Du glaubtest, ich bemerkte es nicht, aber ich habe es wohl gesehen, wie du mich wegen des Reitens auf die Probe stelltest. Mein älterer Bruder, der nun gestorben ist, war Sais (Vorläufer, Stallbediensteter) beim Khedive; ich durfte wochenlang draußen bei ihm sein und auf den schönen Pferden sitzen. Da habe ich das Reiten gelernt. Nun schreibe ich von überall, wohin ich mit dir komme, einen Brief an den Vater, welcher ihm vorgelesen wird. Da ist er froh, wenn ich ihm von dir erzähle und ihm sage, daß du mit mir zufrieden bist. O Sihdi, wenn du ihm doch auch einmal eine Zeile senden wolltest; welch eine Freude wäre das für ihn!“
    „So trag das Geld jetzt noch nicht zur Post, sondern warte! Ich werde gleich jetzt einen ganzen Brief, nicht bloß eine Zeile, an ihn schreiben. Die Adresse sagst du mir dann.“
    Da ergriff er, wie damals in Kairo, meine Hand und küßte sie, ehe ich es verhindern konnte. Wie leicht ist es doch, gut und freundlich zu sein; wie schwer fällt das manchen Menschen, und wie noch mehr andere haben kein Geschick dazu! Und wie belohnt sich so ein bißchen Güte und Menschenliebe! Ich hatte einem Blinden eine Gabe angeboten, die von ihm nicht einmal angenommen worden war. Und der Lohn? Ein Diener, wie ich ihn mir treuer, aufopfernder und besser gar nicht wünschen

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