31 - Und Friede auf Erden
konnte. Aber so reicher Lohn kommt nur dann, wenn man an keine Belohnung denkt! – – –
Der österreichische Dampfer kam ohne Verspätung; er hatte wenig Fracht und wenig Passagiere und sich also nicht durch aufhaltende Hafenarbeiten verspäten können. Alle Welt fährt lieber mit dem Norddeutschen als mit dem Triester Lloyd. Mir war es sehr lieb, daß es so viel Platz gab, denn ich gehe gern ungestört spazieren, auch auf – der See.
Aber eine Anzahl Passagiere kam doch mit an Bord, nämlich Fang, der Chinese, die sechs Gentlemen, welche wir in Point de Galle zur Treppe herabgeworfen hatten, und auch mehrere von den Europäern, von denen in Colombo die Eingeborenen niedergeritten worden waren. Sie dampften der Gegend zu, welche mit Sehnsucht erwartete, von ihnen zivilisiert zu werden. Warum sie es vorgezogen hatten, nicht mit einem deutschen Schiff zu fahren, konnte ich mir denken. Leider sah ich mich gezwungen, an derselben Tafel mit ihnen zu speisen.
Wie es schien, hatten sie sofort, als sie mich als Mitpassagier erkannten, beschlossen, sich an uns zu rächen. Sie begannen nicht mit mir, sondern mit Omar. Dieser nämlich war, wie sich ganz von selbst versteht, nicht Passagier erster, sondern dritter Klasse, hielt sich aber zu meiner Bedienung viel auf dem Deck und in den Räumen der ersten Klasse auf. Hierüber hatten sie sich beim Kapitän beschwert und ihm sehr energisch zu verstehen gegeben, daß sie einen Passagier dritter Klasse nicht in der ersten dulden würden. Es war ihnen der Bescheid geworden, daß sie da gar nichts machen könnten. Es sei auf allen, auch auf den englischen Linien, so eingeführt, daß die reisenden Herrschaften des Tages über ihre Dienerschaft bei sich haben könnten, dafür aber für sie ein erhöhtes Passagegeld zahlen müßten. Das hätte ich auch getan, und also sei mein Araber in vollem Recht, zu mir zu kommen, so oft es mir und ihm beliebe. Omar, der sich an die meist italienisch sprechende Schiffsbemannung angevettert hatte, um sprachlich soviel wie möglich zu profitieren, war von dieser Beschwerde unterrichtet worden und teilte mir es mit. „Diese Leute sind ganz unerfahrene Knaben“, sagte er, „die noch nicht einmal wissen, was auf einem Schiff gebräuchlich ist. Sie halten sich für bessere Menschen als wir Araber sind; früher hätte mich das geärgert; aber jetzt bin ich Sejjid Omar und bedaure sie!“
Damit war die Sache für uns abgemacht.
Mit Fang kam ich nicht zusammen. Er lag seekrank in seiner Kabine und ließ sich nicht sehen. Auch mochte die Scheu vor den Gentlemen das Ihrige dazu beitragen, daß er so beharrlich unten blieb. Diese Vermutung war nicht falsch; ich erfuhr es in der letzten Nacht. Was mich betrifft, so ergingen sich diese Herren in unzähligen Sticheleien und legten mir alles mögliche in den Weg; ich achtete aber nicht darauf.
Unser Dampfer brauchte fünf Tage, um von Colombo nach Penang zu kommen. Sonnabend waren wir abgefahren; Donnerstag kamen wir an. In der letzten Nacht ging ich nicht schlafen, sondern blieb an Deck und schrieb. Der Kapitän hatte meinetwegen den Befehl gegeben, das Licht nicht auszudrehen. Er war ein großer Vogelfreund und hatte neben seiner Kajüte eine Anzahl heimischer Vögel in hübschen Käfigen untergebracht. Sooft es seine Pflicht erlaubte, ließ er sich einen Tisch zu diesen Käfigen stellen, um unter seinen Lieblingen zu sitzen und sich mit ihnen zu beschäftigen. Auch ich liebte die geflügelte Welt. Er bemerkte das sehr schnell, und so kam es, daß er bald nicht mehr allein am Tisch saß. Daher auch die Gefälligkeit, mich während der letzten Nacht mit Licht zum Schreiben zu versehen.
Es war eine wunderschöne, südliche Meeresnacht. Man muß so etwas erlebt haben. Beschreiben kann man es nicht. Und wenn man es könnte, so hätte es doch keinen Zweck, weil eine Beschreibung nie so wirken kann wie das, was man beschreibt. Der südliche Himmel hat weniger sichtbare Sterne als der nördliche, aber sie scheinen größer und darum der Erde und mit ihr dem Menschen näher zu sein; die See erstrahlt in hellerem astralischem Glanz, und die Rätsel der Nacht, die man daheim nicht lösen konnte, treten hier viel deutlicher mit der Bitte an den Menschen heran, gelöst zu werden. Aber all sein stolzes Wissen und all sein scharfes Denken ist diesen Geheimnissen gegenüber ein Nichts; er kann nur ahnen und hoffen, und wenn der Engel des Glaubens zu ihm tritt und ihm zuflüstert, daß dieses Ahnen zur
Weitere Kostenlose Bücher