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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Graduierten die Prüfung am besten bestanden hatte. Außerdem las ich, daß er Beamter des Han Lin Yan war, aus welchem der Kaiser die Beamten für die verantwortlichen Stellen wählt. Hierzu führte er noch den Titel eines Beisitzers im Kuoh Tse Kien, der chinesischen Nationalakademie der Gelehrsamkeit. Und diesen gewiß hervorragenden Mann hatten die ‚Gentlemen‘ am Zopf malträtiert!
    Diese Worte waren alle mit chinesischen Zeichen geschrieben. Hierunter stand in englischer Schrift, doch chinesischer Höflichkeit:
    „Der von der Sonne erleuchtete, hoch erhabene und vor Güte strahlende Beschützer aus dem deutschen Land der edelsten Bewohner möge gnädigst gestatten, daß Fang, der ärmste, geringste und unwürdigste der Chinesen, zu ihm komme, um ihm seinen Dank zu sagen. Es wird dem schon vor zehntausend Jahren in seinen Ahnen lebenden Herrn nicht zugemutet, dem niedrigen Bittsteller eine Karte zu schreiben. Das Wort des Dieners ist genügend.“
    Ich beauftragte Omar, mir schnell zwei Tassen Tee zu holen und dann dem Chinesen zu sagen, daß er sofort kommen solle. Die Herren Fu und Tsi in Kairo hatten nach abendländischer Weise gelebt und kein Eingehen auf ihre heimatlichen Gewohnheiten erwartet; hier aber war mir eine Karte geschickt worden, und so wünschte ich nicht, ganz und gar als ‚westlicher Barbar‘ zu gelten. Der Tee wurde von der Etikette vorgeschrieben. Man pflegt ihn zwar nicht zu trinken, aber sobald der Besuchte oder der Besucher die Tasse an den Mund führt, ist dies das Zeichen, daß er die Visite zu beenden wünscht.
    Der Tee wurde gebracht, aber der Chinese kam nicht. Wollte er mich etwa probieren? Ich schickte ihm Omar noch einmal, und als er auch dann noch nicht kam, so mußte der Sejjid zum dritten Male hin, und ich ging selbst mit, doch nur die Hälfte des Weges. Dort blieb ich stehen, um meinen Besuch zu erwarten. Nun trat er endlich aus dem Zimmer und näherte sich mir mit fortgesetzten, tiefen Verbeugungen. Ich verneigte mich ebenso und führte ihn nach meiner Tür, an welcher ich mich so stellte, daß er auf ihrer linken Seite, der ‚Seite der Höflichkeit‘ eintreten mußte. Dann folgten wiederholte Verbeugungen, ehe ich ihn dazu brachte, sich eher als ich niederzusetzen, worauf dann auch ich Platz nahm, und zwar zu seiner rechten Hand, denn in China ist links der Ehrenplatz. Omar stellte die Tassen vor uns hin und ging dann hinaus.
    Bisher war kein Wort gesprochen worden, und ich verhielt mich auch jetzt noch still, weil der Höherstehende das Gespräch zu beginnen hat. Es gab nun einen schweigsamen Wortstreit zwischen der morgen- und der abendländischen Höflichkeit, und ich war fest entschlossen, Sieger zu sein. Es vergingen drei, vier, fünf Minuten, welche unter anderen Verhältnissen höchst peinlich gewesen wären; hier aber machten sie mir Spaß. Er schien ebenso wie ich sich fest vorgenommen zu haben, der Höflichere zu bleiben, und so könnten wir als charakterstarke Männer noch heute miteinander dort in Point de Galle sitzen, ohne den Mund aufgetan zu haben, wenn ich nicht unwillkürlich mit der Hand nach der vor mir stehenden Tasse gegriffen hätte. Das geschah, wie gesagt, ganz ohne Absicht, nur um irgend etwas zu tun. Aber er sah mich an, ob ich wohl trinken würde. Als ich das nicht tat, legte er die Hand auch an seine Tasse und trank aber auch nicht. Da kam mir ein köstlicher Gedanke. Wer den andern sprechen läßt und selbst aber schweigt, ist der Höflichere. Wie nun, wenn ich diese Visite beendete, ohne überhaupt gesprochen zu haben?! Aber da mußte ich trinken, um den Besuch zu beenden, und das war doch wohl nicht höflich! Jedoch, er hatte auch schon die Hand an seiner Tasse. Wollte etwa er der Unhöfliche sein? Jedenfalls nicht. Oder aber hatte er etwa meine Bewegung nachgemacht, um mit mir zu gleicher Zeit zu trinken? Wenn er das beabsichtigte, so ging diese Visite ohne irgendein Wort zu Ende, und da keiner das Zeichen des Aufbruches allein gegeben hatte, so war jeder von uns beiden ein wahrer Ausbund der allergrößten chinesischen Höflichkeit! Ich versuchte es, indem ich die Tasse ein wenig hob; er tat sogleich dasselbe. Ich führte sie zum Mund, er auch. Ich trank, er ebenso, mit mir zu gleicher Zeit. Dann stand ich auf, und er in demselben Tempo mit mir. Dann verneigten wir uns gegenseitig so lange, bis er, der sich nach rückwärts ‚dienerte‘, das Zimmer verlassen hatte.
    Ich bekam ihn dann während des Vormittags nicht wieder zu sehen.

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