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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wagt, zurückzukehren!“
    Sonderbarerweise fiel es ihnen gar nicht ein, auch nur den Versuch zu machen. War das eine Bestätigung der alten Erfahrung, daß Menschen, welche gerne rodomontieren, keinen eigentlichen Mut besitzen, oder hatte die ihnen von uns so kräftig erteilte Lehre in ihnen die Überzeugung geweckt, daß es klüger sei, sich fortzuschleichen, als noch einmal mit zwei solchen Desperados, wie wir waren, anzubinden? Wir hörten, daß sie unten auf der ersten Etage noch mit einigen großen, drohenden Worten um sich warfen; dann gingen sie hinab nach dem Salon, wo sie sich auf die Möbel legten, um ihre Niederlage zu beschlafen. Diese Zivilisatoren Chinas waren also abgetan!
    „Deutsche Fäuste und arabische Fäuste, denen soll einmal so einer widerstehen!“ meinte mein Sejjid Omar, dessen ganzes Gesicht ein einziges Freudenlächeln war.
    Der Wirt hatte still und staunend dagestanden.
    „Wie schnell Ihr das fertiggebracht habt! Und was habt Ihr gewagt!“ sagte er. „Fürchtet Ihr denn nicht, daß die Gentlemen Euch persönlich oder gerichtlich belangen werden?“
    „Hoffentlich tun sie das!“ antwortete ich. „Ich bin herzlich gern bereit, sie sowohl persönlich als auch gerichtlich zu belehren, daß kein anständiger Mann jemals so handeln würde, wie sie gehandelt haben. Der wirkliche echte Gentleman ist ein ganz anderer Mann, und Ihr beleidigt ihn, wenn Ihr solchen Radaubrüdern dieselbe Achtung zollt, auf welche nur er allein berechtigten Anspruch hat!“
    Der Chinese stand von fern und winkte meinen Diener zu sich heran, um ihm etwas zu sagen. Dann verneigte er sich sehr zeremoniell und sehr tief vor mir und kehrte in sein Zimmer zurück.
    „Er läßt dich um die Erlaubnis bitten, dir morgen früh seine Karte schicken zu dürfen“, erklärte mir Omar. „Mehr konnte ich nicht verstehen, weil seine englische Sprache gar keine Sprache ist. Es gibt überhaupt nur zwei Sprachen, welche wahre und wirkliche Sprachen sind, nämlich die arabische und die deutsche. Die andern sind nur Redensarten, die man wohl sprechen lernen, aber nicht liebgewinnen kann! Was tun wir jetzt?“
    „Schlafen“, antwortete ich.
    „Gut! Und wenn die lärmenden Kerle wiederkommen sollten, so komme ich auch wieder, und wir werfen sie abermals die Treppe hinunter. Leletak sa'ide – deine Nacht sei gesegnet!“
    Er ging, und ich war doppelt zufrieden mit ihm, einmal, weil er seine Fäuste so wacker gebraucht hatte, das andere Mal, weil es für ihn jetzt zwei ‚wahre und wirkliche‘ Sprachen gab und nicht wie früher nur eine, die arabische. Er wußte freilich nicht, was alles in diesem seinem Geständnis lag.
    Nun, da der Chinese mir früh seine Karte schicken wollte, konnte ich freilich den beabsichtigten Ritt nach Paragoda nicht machen, denn es stand nach dem Geschehenen zu erwarten, daß er heut länger als gewöhnlich schlafen und sein Besuch also erst spät erfolgen würde. Ich hingegen war schon zeitig wieder munter und machte einen Spaziergang nach dem Leuchtturm. Es führt dort eine Treppe zu den von der Brandung umrauschten Trümmern des Küstenfelsens hinab, zwischen denen allerlei interessante Muscheln, Korallen und andere ‚Früchte des Meeres‘ zu finden sind. Von da zurückgekehrt, erfuhr ich vom Wirt, daß die sechs Europäer ihre Zeche bezahlt und das Hotel ohne Sang und Klang verlassen hatten, um nach dem Bahnhof zu gehen und dort den Zug nach Colombo zu erwarten. Die Zeit bis dahin an dem Ort ihrer Heldentaten zu bleiben hatten sie also keine Lust gehabt. Es ist ja auch der Fanfaron nicht ohne Ehrgefühl.
    Während ich den Kaffee trank, den ich selbst in Indien dem Tee vorziehe, obgleich er dort durchschnittlich sehr schlecht zubereitet wird, schrieb ich Postkarten nach Deutschland. Nach einiger Zeit brachte Sejjid Omar die Visitenkarte des Chinesen, einen langen, schmalen Streifen scharlachroten Papiers, auf welchem mittelst Stempel der Name Fang angebracht war. Es war eine uralte, berühmte Familie, welcher der Besitzer dieses Namens angehörte: Wahrscheinlich existierte sie schon zur Zeit des Kaisers Huang-ti, welcher vor nun fast viertausendsechshundert Jahren die Familiennamen in China einführte. Unter diesem Stempel standen die übrigen Personalien, welche mit Tusche und Pinsel geschrieben waren. Er hatte sich mit dem Titel Tschin Schi die höchste literarische Würde erworben, und aus der Beifügung Tschuan Yüan ersah ich, daß er von sechstausend Examinanden und dreihundertfünfzig

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