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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wahrheit und dieses Hoffen sich erfüllen werde, so soll diese Stimme ihm ebenso heilig sein, als ob Gott selbst zu ihm gesprochen hätte.
    Es war schon Mitternacht, als ich ein Räuspern hinter mir hörte. Ich schaute mich um und sah Fang, welcher leise die nach den Kabinen führende Treppe heraufgekommen war. Er verbeugte sich und wartete dann, ob ich ihn anreden werde. Ich grüßte ihn in englischer Sprache. Er verbeugte sich noch einmal und antwortete:
    „Daß Sie diese Sprache wählen, ist für mich ein Fingerzeig. Stört es Sie, wenn ich hier oben bin und mir Bewegung mache?“
    „Nein.“
    Er verneigte sich zum dritten Mal und wandte sich ab, um leise auf dem Deck hin und her zu spazieren. Das tat er wohl eine Stunde lang, dann schien er wieder hinuntergehen zu wollen. Er mußte an mir vorüber und tat das mit so zögerndem Schritt, als ob er mir gern etwas sagen möchte. Ich legte also die Feder weg und sah ihn fragend an. Da erkundigte er sich:
    „Sie arbeiten, und ich störe. Nicht wahr?“
    Ich stand also auf und antwortete:
    „Ja, ich arbeite allerdings, aber eine Unterbrechung durch Sie würde mir eine Erholung anstatt eine Störung sein.“
    „Das ist höflich gesagt, aber dennoch wahr; ich höre es Ihnen an. Wir erreichen früh den Hafen, und mein Herz gebietet mir, Ihnen vor der Trennung zu sagen, daß Sie mich abgehalten haben, in den Büchern, die ich daheim schreiben werde, ein doch vielleicht falsches Urteil über die Völker des Abendlandes und ihre internationalen Umgangsformen zu fällen. Was ich bisher erlebte, beobachtete und erfuhr, war keineswegs geeignet, mich für sie sympathisieren zu lassen; Ihr Auftreten in Point de Galle aber hat mir gezeigt, daß es bei dem hier bei uns überfließenden, europäischen Schaum auch klare, reine Tropfen gibt, die auf Besseres schließen lassen, als ich dachte.“
    Diese Einleitung ließ ein längeres Gespräch vermuten. Darum führte ich ihn nach einer Bank, welche an der Deckbrüstung stand, nicht im grellen elektrischen Licht, sondern im milden Schein der Sterne. Indem wir uns da beide ohne alles Zeremoniell niedersetzten, erwiderte ich:
    „Die Geschichte Ihres Landes ist allerdings nicht imstande, Ihnen Liebe für uns zu predigen. Aber Sie dürfen überzeugt sein, daß nicht alle Abendländler Runners, Loafers und Rowdies sind, welche den Osten nur zu dem einzigen Zweck aufsuchen, ihn für sich auszubeuten. Hier im Morgenland wurde einst unsere christliche Liebe geboren. Es kommt gar manch ein Abendländler nach dem Osten, um ihren Stapfen nachzuforschen. Und wer das tut, der achtet vor allen Dingen jedes Menschenrecht und ist ehrlich und gewissenhaft selbst gegen seinen allerfernsten Bruder. Ich glaube, nicht zu lügen, wenn ich sage, daß ich zu diesen letzteren gehöre. Ich liebe Ihre Nation. Ich liebe sie nicht weniger als jede andere Rasse. Auch mein Beruf ist, Bücher zu schreiben, ganz so wie der Ihrige. Und ich versichere Ihnen, daß ich niemals imstande sein werde, ohne vorherige, genaue Prüfung mein eigenes Volk auf Kosten anderer Völker herauszustreichen!“
    „Sie lieben meine Nation!“ wiederholte er meine Worte. „Ist es denn wirklich wahr, daß jemand, der kein Chinese ist, dies gesprochen hat? Jede, jede, aber auch jede Nation erfreut sich irgendeiner Sympathie, nur die chinesische nicht! Womit haben wir das verdient? Was haben wir den andern Völkern zu leid getan? Die Kaukasier schlachten heut einander ab und küssen sich morgen freundlich die gestern noch zürnenden Lippen. Haben jemals wir ihr Blut vergossen? Haben wir sie jemals beleidigt, befeindet, übervorteilt und betrogen, wie sie es untereinander tun? Nie! Befehden wir ihren Glauben? Verlachen wir ihre Voreltern? Spotten wir über ihre Geschichte? Nein! Trachten wir nach den Schätzen ihrer Bergwerke, nach den Früchten ihrer Felder, nach den Erträgnissen ihrer Industrie? Nein! Brauchen wir überhaupt etwas von ihnen? Nein und wieder nein und dreimal nein! Also frage ich: woher nehmen sie das Recht, wie Bazillen durch alle leiblichen und geistigen Poren in den Körper und in die Seele unserer Nation einzudringen und an dem sogenannten ‚gelben‘ Mann denselben Rassenmord zu verüben, an welchem der ‚rote‘ auch schon zugrunde gegangen ist?“
    Er hatte ruhig, kalt, langsam und halblaut gesprochen, wie zu sich selbst. War es in seinem Innern auch so kalt und ruhig? Da ich nicht antwortete, fuhr er fort:
    „Ich weiß, was Sie sagen werden: Die Völker haben

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