31 - Und Friede auf Erden
dieser Arzt einer von den beiden sei, welche ihren Vater behandelt und nach Atjeh geschickt hatten, und ich hatte recht, denn als er kam, war er derselbe, den ich besucht hatte, um mich nach Wallers Krankheit zu erkundigen. Er war von Mary gerufen worden, um über den Zustand ihres Vaters, welcher sich in Atjeh verschlimmert hatte, gefragt zu werden, und wir wollten mit ihm sprechen, um, ohne die Tochter damit belästigen zu müssen, etwas über die gegenwärtige Lage des Vaters zu erfahren.
Er konnte uns natürlich nur sagen, was er von ihr gehört hatte, und das war nichts Zusammenhängendes, nichts Ausführliches gewesen. Wallers waren zunächst nach Uleh-leh und von da hinauf nach Kota Radscha gefahren, wo ihnen der Gouverneur infolge eines Empfehlungsschreibens eine Wohnung im Kratong, der früheren Zitadelle der Eingeborenen, gegeben hatte. Da dort aber die militärische Besatzung der Holländer liegt, so hatte der Kranke dort die ihm so notwendige Stille und Ruhe vermißt. Aus diesem Grund und weil Kota Radscha immer noch zu nahe an der fieberschwangeren Küstenniederung liegt, hatte er sich durch keine Vorstellung und keine Warnung abhalten lassen, noch höher hinaufzugehen, und war mit seiner Tochter und einigen Trägern nach den wilden Höhen des Barissangebirges aufgebrochen. Was nun alles unterwegs und dann auch oben unter den für unbotmäßig gehaltenen Bergmalaien geschehen war, das hatte Mary nicht erzählt, wahrscheinlich um nicht sagen zu müssen, wie falsch ihr Vater sich zu diesen Leuten verhalten hatte, welche die Weißen als die Räuber ihres Landes und die Unterdrücker ihres Glaubens betrachten und darum eine unversöhnliche Feindschaft gegen sie hegen. Aber Schlimmes, sehr Schlimmes mußten sie erlebt haben, bis es schließlich zu der Katastrophe gekommen war, deren Folge in der Gefangennahme Wallers und seiner Tochter bestand. Er hatte getötet werden sollen, doch war es ihr gelungen, durch unausgesetzten Bitten und Tränen die Bitjara (Beratung der Häuptlinge) zu dem Versprechen zu vermögen, ihn gegen ein Lösegeld von fünfzigtausend Gulden freizugeben. Sie hatte den Auftrag bekommen, dieses Geld zu holen, und war zu diesem Zweck quer durch das ganze Bergland bis hinunter zur Ostküste geschleppt worden, von wo aus man sie quer über die Malakkastraße gebracht hatte, und zwar in einem malaischen Fahrzeug, dessen Beschaffenheit und Besatzung ihr geradezu zur Hölle geworden war. Bei der nächtlichen Landung hatte sie noch einmal versprechen müssen, keinen Namen zu verraten, weil man das mit dem Tod ihres Vaters rächen werde.
„Er ist aber trotzdem verloren“, fügte der Arzt hinzu, „denn ich vermute, daß sie ihn trotz des Lösegeldes umbringen werden, wenn sie es nur erst haben. Diese Malaien sind schon zu gewöhnlicher Zeit ganz treu- und gewissenlose Menschen, und jetzt, wo wir wissen, daß sich unter ihnen eine blutige Empörung gegen alle Europäer vorbereitet, werden sie erst recht keinen Pardon erteilen. Und selbst wenn sie ehrlich handelten, was aber ganz ausgeschlossen ist, so könnte man das Leben Wallers nicht mehr retten; er wird der Krankheit und den Anstrengungen und Entbehrungen erliegen, die er so unvorsichtigerweise auf sich genommen hat.“
„Sie selbst haben ihn aber ja hinübergeschickt!“ warf ich ihm, der die Malaien haßte, ein.
„Ich habe vom Bergland gesprochen, aber nicht von den einsamen Höhen und Schluchten des Barissangebirges, wo keiner der feindseligen Malaien ihn aufnimmt, um ihn gesund zu pflegen!“ antwortete der Arzt. „Er war so schwach, daß er getragen werden mußte. Denken Sie sich eine solche Tour durch wildes Gebirge! Keine Bequemlichkeit, keine Nahrung, keine Ruhe, kein Trost! Wenn er heute noch lebt, ist es ein Wunder zu nennen! Dieser Herr hat einen fürchterlichen Eigenwillen und scheint von der Gefährlichkeit der Dysenterie nicht eine Spur von Ahnung zu besitzen!“
Er ging. Kurze Zeit später ließ Mary fragen, ob sie zu mir kommen könne, und folgte dem Boten auf dem Fuß. Raffley ergriff ihre Hand, führte sie zu einem Sitz und nahm ihr, ehe sie zu sprechen begann, das Wort aus dem Mund:
„Mylady, schonen Sie sich! Wir brauchen nur sehr wenig zu wissen, und ich bitte um die Erlaubnis, Sie fragen zu dürfen. Es wurde ihnen von den Malaien eine Zeit gesetzt?“
„Ja“, antwortete sie. „Ich habe spätestens mit der ‚Coen‘, Kommandant Wilkens, möglichst aber noch eher nach Uleh-leh zurückzukehren.“
„Well!
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