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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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entzückend ausgesprochen. Man redet so entschieden von morgen- und abendländischen, von italienischen, englischen, französischen, spanischen, polnischen, deutschen, nordischen, amerikanischen Schönheiten, von Schönheiten aller Länder. Dieses junge Weib hier war unbedingt eine Schönheit und ebenso unbedingt eine Chinesin. Wie kam es doch aber, daß es mir unmöglich war, zu behaupten, daß sie eine chinesische Schönheit sei? Lag der Grund in den Zügen des Originals selbst, oder lag er in der Art und Weise, wie der Künstler diese Züge aufgefaßt und wiedergegeben hatte? War dieser Künstler eine Chinese oder ein Europäer? Beides nicht, und beides doch! Ein Talent auf jeden Fall, vielleicht noch mehr! Der Rahmen war einfach, aus schmucklosem Holz, und verschwand fast ganz unter der Menge natürlicher, lebender Rosen, Blumen und Blüten, welche ihn bedeckten. Ich sah später den Schiffsraum, in welchem diese Kinder Floras gezogen wurden, um jahraus, jahrein als Schmuck für ‚Yin‘ zu dienen.
    Das Bild fesselte mich in ganz ungewöhnlicher Weise. Ich stand lange vor ihm, in Anschauen versunken, und sagte nichts. Ich hatte das Gefühl, daß man Worte hier zu vermeiden habe. Als ich mich endlich abwandte, fiel mein Blick auf Raffleys Augen, welche mit einem unbeschreiblich glücklichen Ausdruck auf das Porträt gerichtet waren. Nun sah er mich an – und ich ihn. Beide schwiegen wir; dann nickte er mir zu; er hatte mich verstanden.
    Als wir wieder auf das Deck traten, legte eben das Boot an, welches Mary Waller geholt hatte, Raffley empfing sie in seiner wohltuenden, dankerweckenden Weise und geleitete sie nach dem für sie bestimmten Logis, welches die ganze Breite des erhöhten Vorderplatzes einnahm. Sie hatte ihre Toilette vervollständigt; eine englisch sprechende Chinesin, welche für diesen Zweck vorhanden zu sein schien, sonst aber in der Küche beschäftigt war, wurde ihr als Dienerin beigegeben.
    Der Governor hatte es sich auf einem Liegestuhl bequem gemacht. Er rauchte eine kurze Pfeife von der Art, welche in englischen ‚Traveler‘-Kreisen jetzt so beliebt ist, und schien dieser Beschäftigung seine ganze Aufmerksamkeit zu widmen.
    Tsi war schon vor uns an Bord gekommen. Ich kam an der Kabine, welche ihm von Tom zugewiesen worden war, vorüber und sah ihn hinter dem halb zurückgeschlagenen Vorhang sitzen. Da trat er heraus und fragte mich, wann der Anker gelichtet werde. Soeben zog die Maschine die Kette an; ich brauchte also nicht zu antworten, hielt es aber für geboten, ihm aus einem anderen Grund eine Bemerkung zu machen.
    „Sie meiden das Deck, wie es scheint“, sagte ich. „Sie haben keine Veranlassung, auf freie Bewegung zu verzichten.“
    „Ich will den Governor nicht stören“, antwortete er.
    „Bitte! Dem fällt es gar nicht ein, sich von irgendeinem Menschen stören zu lassen! Seien Sie aufrichtig: er stört Sie! Und das lassen Sie sich einfach nicht gefallen! Habe ich recht?“
    Es kämpfte sich ein halb verlegenes Lächeln auf seine Lippen, und ehrlich, wie er immer war, gab er zu:
    „Ja; es ist richtig, was Sie sagen. Ich habe ihm sein Verhalten übelgenommen und also nicht so edel gedacht, wie unsere Religion es von uns fordert. Verzeihen Sie! Wie kann ich es dem einzelnen entgelten lassen, daß er nicht anders denkt, als seine Allgemeinheit denkt! Ich werde ihm Abbitte leisten.“
    „Abbitte? Das halte ich denn doch nicht – – –“
    „Natürlich nicht so, wie Sie es auffassen wollen“, unterbrach er mich. „Der Wunsch nach Verzeihung braucht nicht grad über die Lippen zu gehen, um sich verständlich zu machen. Darf ich fragen, als wen und was mich die beiden Gentlemen kennen? Selbstverständlich sind Sie nach mir gefragt worden.“
    „Sie sind Dr. med. Tsi, der in Deutschland und Frankreich studiert hat. Ihr Vater hat Sie dort abgeholt und ist Ihnen, weil Ihr Beruf Sie veranlaßte, hierzubleiben, nach China vorausgereist. Ich habe Sie und ihn in Kairo kennengelernt. Hoffentlich stimmen Sie dieser Auskunft, welche ich gegeben habe, bei?“
    „Es ist die mir liebste, welche Sie geben konnten. Ein junger Arzt ist ein Mann, mit dem man sich nur dann abgibt, wenn man ihn braucht; ich werde hier also zurückgezogen leben können, und das ist mir lieb. Ich sah Mary Waller an Bord kommen. Weiß sie, daß ich auch mit hier bin?“
    „Nein.“
    „Sie – Sie – – – Sie haben ihr nichts, gar nichts davon gesagt?“
    „Kein Wort.“
    „Aber, ich bitte Sie!

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