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312 - Die dunkelste Stunde

312 - Die dunkelste Stunde

Titel: 312 - Die dunkelste Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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diodenähnlichen Leuchtpunkten in der Decke fehlte, die in den Gängen des Flächenräumers für Licht sorgten, war die Kuppelhalle erleuchtet. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Matt den Grund dafür erkannte: Offenbar war es die Luft selbst, die Helligkeit ausstrahlte. Sie flimmerte und flirrte, schien regelrecht zu kochen.
    »Sieht aus wie eine auf dem Bauch liegende Radkappe«, kommentierte Xij das Bild. »Für ein mächtig großes Auto.«
    »Die Kuppel besteht aus bionetischer Masse«, erklärte Quart’ol. »In ihr wird das Zeitfeld generiert. Das, was ihr als Luftwirbel wahrnehmt, sind in Wirklichkeit Kraft- oder Zeitwirbel.«
    Der Hydrit betätigte einen Schalter an der Konsole. Das Bild auf dem Monitor verschwand und machte einem schematischen Querschnitt der Erdkugel Platz.
    »Den Schuss gibt der Flächenräumer stets ins Erdinnere ab. Die massive Dichte der Eisen-Nickel-Legierung im Erdkern reflektiert die Energie im vorausberechneten Winkel oder lenkt sie, wenn wir knapp daran vorbeischießen, in die gewünschte Richtung ab. So ist es möglich, jeden Punkt an der Erdoberfläche anzuvisieren.«
    All das hatte Matt vor einigen Jahren bei seinem ersten Aufenthalt am Südpol schon einmal gehört und auch den anderen Anwesenden zumindest vom Prinzip her erklärt. Er befürchtete, dass Quart’ol mit der Wiederholung ein Thema vorbereiten wollte, das ihnen gar nicht gefiel.
    Steintrieb hing an den Lippen des Hydriten wie ein wissbegieriger Student an denen des Professors. Xij Hamlet hingegen schaute mit undeutbarer Miene Matt an.
    »Hab ich die Abstrahlvorrichtung in der Kuppel übersehen oder gibt’s keine?«, fragte der Retrologe.
    »Letzteres«, sagte Quart’ol.
    »Wie steuert man dann, wo die Energie auf den Erdkern trifft? Kann man den Abschusswinkel verändern?«
    »Natürlich.« Der Hydrit deutete auf das wulstige Gewebe links und rechts der Zieloptik. Es erstreckte sich über die ganze innere Wand und verschwand auf beiden Seiten hinter den Gangbiegungen. »Die kreisförmige Röhre, in der wir im Augenblick stehen, schließt den Zeitfeldprojektor ein. Diese Wulste bilden die Feldstabilisatoren. Sie sorgen einerseits dafür, dass das Zeitfeld nicht versehentlich über die Grenzen des Projektors hinausschwappt, und dass die Energie jenseits dieser Wand bleibt. Andererseits steuert sie mit ihrer eigenen Aufladung, wo im Inneren sich das Feld am kräftigsten ballt. Das wiederum beeinflusst den Abschusswinkel.«
    »Faszinierend«, meinte Steintrieb.
    »Und warum wird es jetzt schwierig, die Anlage in Betrieb zu nehmen?«, fragte Xij.
    Der Hydrit wandte sich ihr zu. »Das hat zwei Gründe. Erstens: Unser Ziel ist es, nicht mehr von unten her einen Punkt an der Erdkruste anzuvisieren, sondern ins All zu schießen. Bislang war es für den Koordinator verhältnismäßig leicht, den Abschusswinkel zu berechnen. Die Erde durchmisst ungefähr zwölftausend Kilometer. Der Weg vom reflektierenden Erdmittelpunkt zum Ziel betrug also sechstausend Kilometer. Wobei das noch zu hoch gegriffen ist, da der Erdkern selbst über einen beträchtlichen Durchmesser verfügt.« Er stockte für einen Augenblick. »Wie weit wird der Streiter entfernt sein, wenn wir auf ihn schießen? So weit wie der Mond? Bei dieser Entfernung potenziert sich jede noch so kleine Abweichung. Und je weiter das Ziel entfernt ist, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass Schuss daneben geht und wirkungslos im All verpufft.«
    »Aber...«, begann Steintrieb, doch Quart’ol brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen.
    »Hinzu kommt, dass die Erdrotation für die Zielerfassung bisher keine Rolle gespielt hat. Der Flächenräumer und der Erdkern haben sich zwar gedreht, aber das Ziel an der Erdoberfläche vollzog diese Bewegung im gleichen Maß nach. Diesen Gefallen wird uns der Streiter nicht tun. Von der Drehung der Erde um die Sonne gar nicht erst zu sprechen. Ich fürchte, unter diesen Umständen ist es nahezu unmöglich, einen Schuss abzugeben, der ins Ziel trifft.«
    »Und das zweite Problem?«, fragte Xij Hamlet.
    »Die Energiemenge«, sagte Quart’ol. »Der Mond ist fünfzig bis sechzig Mal weiter entfernt als die bisherige Schussdistanz.«
    Steintrieb schnaubte. »Das heißt, der Schuss müsste einen zweitausendfünfhundert- bis dreitausendsechshundertfachen Bums haben?«
    »Ich hätte es anders formuliert«, sagte Quart’ol. »Aber genau das heißt es.«
    Für einen Augenblick kehrte Schweigen ein. Matt sah von einem zum anderen und

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