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313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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Stahltür, kein Guckloch. Der Beamte schließt auf. Das soll meine Zelle sein.
    Ich stehe in der Tür und denke: »Das ist der kleinste Raum, den du in deinem Leben je gesehen hast. Hier kratzt du nachts an den Wänden und keiner hört dich.«
    In der Mitte Schreibtisch und Stuhl. Unter dem Schreibtisch ein Kühlschrank. Neben dem Schreibtisch ein Bett, ein Schrank, dann schon die Zellentür. Vergilbte Wände, Energiesparlampe an der Decke, vor dem Fenster kein Gitter, immerhin.
    Ich gehe den einen Schritt hinein, den ich gehen kann, bis ich auch schon vor dem Stuhl stehe, und versuche, die Wände mit beiden Armen zu berühren. Das klappt, ohne dass ich sie durchstrecken muss. Ist das überhaupt erlaubt, Gefangene auf so engem Raum zu halten?
    »Ziemlich klein«, sage ich zu dem Beamten. Mein Herz klopft. Ich denke an den Aufzug. Bloß ruhig bleiben. Aber warum sind die Fenster nicht vergittert?
    Dann verpasst mir der Beamte eine umfangreiche Belehrung, die klingt, als würde er sie aus einem Buch ablesen.
    »Herr Stein, Sie befinden sich ab heute im Regelvollzug. Das hier ist Ihre Zelle, das ist Ihr Zellenschlüssel, den benutzen Sie als Haftausweis, bis Sie einen bekommen. Auf Ihrem Schlüssel steht 108, das ist Ihre Nummer. Verlieren Sie den Schlüssel unter keinen Umständen. Wenn Sie ihn verlieren, melden Sie es sofort, aber verlieren Sie ihn einfach nicht. Wenn Sie Ihre Zelle verlassen, sperren Sie Ihre Zelle ab. Wenn Sie Ihre Zelle nicht absperren, verstoßen Sie gegen die Anstaltsordnung. Sechs Uhr dreißig ist Morgenzählung, sechzehn Uhr Abendzählung, dazu haben alle Gefangenen im Innenhof anzutreten. Wenn Sie eine Zählung versäumen, ohne dass Sie vom Arzt krankgeschrieben sind, verstoßen Sie gegen die Anstaltsordnung …«
    Und so geht das weiter. Zahlen und Regeln. Wann ich auf den Gang darf, wann ich duschen darf, wann ich aufs Klo darf, wann ich mit anderen Gefangenen reden darf, wie viele sich grundsätzlich auf einer Zelle aufhalten dürfen, wann Nachtruhe ist.
    Am Ende sagt er: »Angenehmen Aufenthalt.«
    Zu diesem Zeitpunkt hab ich durch die ganze Scheiße vor lauter Stress schon so viele Kalorien verbrannt wie ein Fallschirmspringer beim Sprung. Ich hab aber nichts zu essen dabei, nur Tabak. Also setze ich mich an den Tisch, drehe die erste Zigarette auf der Zelle und benutze den Aschenbecher, den sie mir hingestellt haben.
    Den Foto-Kalender, den meine Süße gebastelt hat, und die Schnappschüsse, die ich von ihr habe, will ich so aufhängen, dass ich sie vom Bett aus sehen kann. Aber dann kommen mir auf einmal die Tränen, weil meine Zelle so hässlich ist. Meine Freundin wird draußen ein ganz anderes Leben leben als ich, das wird mir so was von klar. Der Unterschied zwischen den Problemen und dem Spaß, den sie in Freiheit haben kann, und dem, was mir hier bevorsteht, ist so groß, dass es schwierig werden wird, den anderen zu verstehen, ganz kompliziert, da zusammen zu bleiben. Das Aufhängen läuft wie in Zeitlupe. Ich stehe da und weine, und bei jedem Foto überlege ich, warum ich das überhaupt mache und ob das eine Art Selbstgeißelung ist. Ich häng hier Bilder von ihr im Bikini auf, in Mexiko, am Strand oder sonst irgendwo, und die Zelle ist so winzig, dass ich die ganze Zeit draufgucken muss. Das wird nun exakt der Horror, den ich unbedingt vermeiden wollte.
    Eigentlich hatte ich nach meiner Verurteilung versucht, so allein wie möglich zu bleiben, damit ich im Knast nichts vermisse. Nur keine Achillesferse. Aber dann hab ich sie durch Zufall kennengelernt. Wollte aber wirklich nur was Trinken gehen, und vielleicht landet man miteinander im Bett, vielleicht auch nicht. Ich habe nicht daran gedacht, mich zu verlieben, das fand ich völlig ausgeschlossen damals, so freundinunkompatibel, wie ich war.
    Ich denke über Knast und Weinen nach und ob das ’ne vorteilhafte Sache ist, mit verheulten Augen auf dem Gang rumzurennen, wenn ich jetzt pissen muss. Ich warte besser, bis ich mich beruhigt hab und die Augen wieder fit aussehen. Ich darf nicht als verletztes Tier unter die Meute, dass die denken: »Ach, das ist dieser Musik-Vogel, der grad ordentlich auf der Zelle abgeheult hat, weil er mit vier Stunden Knast nicht klarkommt.«
    Auf einmal hör ich Leute reden auf dem Gang, Getöse, Türen knallen. Da kommt’s mir: Sechszehn Uhr! Zählung!
    Ich schließe mich den Leuten an, die raus auf den Hof gehen. Wir biegen nach links, und da steht eine Schlange von schätzungsweise

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