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war es mir nicht möglich, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Es ging immer nur: Knastknastknast.
Stehe ich da jeden Abend auf dem Gang und muss mich boxen? Werde ich beleidigt, angegriffen, gefoltert? Als Kind bin ich einmal in einem Aufzug stecken geblieben, zwei, drei Stunden hat es gedauert, bis sie mich rausgeholt haben, ich wäre fast wahnsinnig geworden. Bis heute habe ich Angst in engen Räumen. Werde ich ausflippen, wenn die da abends die Zelle absperren? Kann ich da überhaupt überleben? Es braucht ja gar nicht viele, die einen plattmachen. Es braucht nur einen, der spinnt, und das reicht.
In dieser amerikanischen Dokumentation, die ich mir reingezogen habe, »Days of the Gladiator«, hab ich gesehen, wie ein Häftling ausrastet und einen anderen vor laufender Kamera absticht, achtzig Messerstiche, und die Beamten stehen daneben und machen nichts, weil sie selber Schiss haben. Läuft das tatsächlich so?
Die Hells Angels, die ich gefragt habe, sagen: »Kommt drauf an, wie du dich verhältst.«
Und ich: »Wie soll ich mich denn verhalten?«
»Mach keine Schulden und reiß dein Maul nicht auf.«
Jörg rollt uns durch die Stadt. Die Leute, die Straße, die Läden, alles sieht aus, als würde es im nächsten Moment von einer riesigen Atombombe zerstört werden. Irgendwie so unberührt, so ahnungslos, so gefährdet. Da fällt mir ein, dass meine Bewährungshelferin meinte, ich solle unbedingt Telefonkarten mitnehmen, das sei sehr wichtig.
»Fuck!«, sage ich. »Ich habe was vergessen!«
Ich springe raus auf den Gehweg und laufe einen Kiosk nach dem anderen ab. Jörg fährt nebenher. In einem Call-Shop lege ich meinen letzten Hunderter auf den Tisch und nehme alles an Karten mit, was sie da haben. Telefonkarten. Ich wusste gar nicht, dass man die heute überhaupt noch benutzt.
Wir sind nur noch zehn Minuten von der Justizvollzugsanstalt entfernt, da erkennt das Navigationssystem auf einmal die Straße nicht mehr. Nun kommt doch langsam Hektik auf. Wir kurven rum, aber sehen niemanden, den wir nach dem Weg fragen können, dann ist da eine Einfahrt, aber die führt ins Frauengefängnis, und ich denke, jetzt bin ich schon so weit, dass ich endlich in den verdammten Knast will, und dann finde ich nicht den richtigen.
»Ich hoffe nur, die Scheißpresse ist nicht da«, sage ich.
Jörg meint: »Woher sollen die denn wissen, wann du eincheckst?«
Aber ich hab schon zu viele Erfahrung gesammelt, um mich von denen überraschen zu lassen. Ich bin für deutsche Verhältnisse durch meine Musik recht berühmt und wegen meiner Skandale berüchtigt. Ein gefundenes Fressen für die Boulevard-Presse. Seit dem ersten Skandal bin ich für die der Bad Boy und die kleben an mir.
»Das ist deren Job«, sage ich.
»Jetzt wart erst mal ab«, rät mir Jörg.
Dann biegen wir endlich in die richtige Straße ein. Wir sehen sechs, sieben Meter hohe Gitterzäune, darüber so fiese Stacheldrahtrollen und Suchscheinwerfer. Mir bleibt die Luft weg. Vor der Einfahrt stehen auch schon die Typen von der Presse: Kameras, Fotografen, Schreiber.
Als ich das letzte Mal vor Gericht stand, haben dreißig bis vierzig von denen meinen Prozess mit schadenfrohem Grinsen verfolgt, sicher, dass ich dieses Mal einfahre. Ich hatte ja schon drei Bewährungsstrafen, und es ging wieder um Körperverletzung. Vor den ganzen Affen war mir nur wichtig, dass ich nach dem Urteil nicht zu heulen anfange oder einen Nervenzusammenbruch kriege, sondern mir einfach die Packung abhole und nach Hause gehe. Am Ende stand ich vor dem Richter wie ein Gladiator, der sein Schicksal in die Hände des Kaisers legt. »Ave Caesar, morituri te salutant.« – »Heil dir Caesar, die Totgeweihten grüßen dich.«
»Diese Ratten«, sagt Jörg. »Und was jetzt?«
Jetzt gehe ich raus und haue jedem dieser Geier schön eins in die Fresse. Bei dieser Tat wär ich allerdings mal nicht zugedröhnt, wie die anderen Male, wo sich Kokain und Wodka in mir zu einer dritten, unguten Droge vermischten, die ich nicht mehr im Griff hatte. Diese Tat hier hätte ausnahmsweise mal Hand und Fuß und ein klares Motiv, das ich sogar vor mir selbst rechtfertigen könnte. Das lässt sich von dem Mist, den ich ansonsten begangen habe, nicht immer behaupten. Es hat oft die Falschen erwischt. Die, die es verdient hätten, gingen seltsamerweise immer leer aus. Mein Fehler.
»Fahr mich bloß nah an den Eingang da«, sage ich.
Der Eingang besteht aus einem Pförtnerhäuschen aus grauem Beton
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