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313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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Häftlinge den Muckefuck jetzt einzeln bekommen. Wir stellen einfach nicht mehr umsonst Muckefuck her.«
    »Was machen Sie?«
    »Ich hab’s Ihnen doch erklärt, wissen Sie’s nicht mehr?«
    »Denken Sie, ich höre zu, was Sie mir immer erzählen?«
    Der Wetzel wetzt in sein Büro zurück und starrt in seinen Computer, ob mit seiner Dispo was nicht stimmt. Aber es stimmt alles. Wir brauchen insgesamt eine Tonne Muckefuck weniger als früher. Das ist mengenmäßig so viel wie ein Auto, was man jetzt nicht mehr wegschmeißt. Trotzdem hat der Wetzel erkennbar keinen Bock, jetzt an seinem System was zu ändern, nur weil ich an meinem System was geändert habe.
    Er jetzt total genervt: »Stein, was soll denn das alles? Was mischen Sie sich denn da nur ein?«
    Und ich: »Aber wir sparen doch Geld, Herr Wetzel.«
    Und er: »Ja, und?«
    Er braucht einen ganzen Tag, um das zu verarbeiten. Aber danach lobt erst er mich, und kurz darauf sitze ich beim Karl im Büro. Er grinst übers ganze Gesicht. Ein Häftling, der die Justizvollzugsanstalt verbessert, so was hat er auch noch nicht gehabt. Ich bin ’ne wirkliche Bereicherung für seinen Knast.
    »Herr Stein«, sagt er, »passen Sie auf, dass Sie nicht so weitermachen, sonst behalten wir Sie noch hier.«
    Und ich: »Herr Karl, auf keinen Fall, ich mache diese Sachen nur, um so schnell wie möglich hier rauszukommen.«
    Es ist ein guter Gang zurück in meine Zelle. Ich gehe auf die Station. Der Beamte drückt mir von der Zentrale aus die Tür auf. Ich schaue in den Gang. Rechts und links Türen, dahinter meine Leute, alles mein Bereich. Ich sitze im Gefängnis, aber ich bin noch selten in meinem Leben freier gewesen als an diesem Ort. Ich bin kein Fremder, ich habe eine Aufgabe, ich habe eine Stellung, ich erkenne den Sinn hinter allem, was um mich herum passiert. Es geht mir gut. Ich bin ganz ruhig. Ich bin hier.

18
    Neun Monate nach meiner Selbststellung bin ich angekommen. Meine Zelle ist nicht mehr klein und hässlich. Sie ist mein Zuhause, mein Rückzugsort, ich fühle mich wohl in ihr, wenn jetzt draußen der Herbst weht. Ich habe zwei gute Freunde gefunden, mit denen ich jeden Tag teile, nein, einfach alles: Essen, Träume, Ängste und die sensationelle Laune, das Beste aus Scheiße zu machen, das Gelächter von Jungs auf ’ner Klassenfahrt mit 13. Ja, sie kennen mich wohl besser als viele Menschen da draußen in der Freiheit. Mit den Beamten, den anderen Gefangenen hat man sich arrangiert, reine Routine. Das Einzige, was diesen Vollwaschgang überlebt hat, ist die Liebe zu meiner Freundin, ich klammere mich daran, wie andere hier zu einem Gott beten oder auf den Himmel hoffen. Ich schreibe ihr jeden Tag mehrere Seiten, sie schreibt jeden Tag zurück. »Stabile Frau« wie Wlad sagt, oder nur »heiraten«.
    Chamäleon hat seine Entlassung leider keine 24 Stunden überlebt. Andi und ich mussten ihn einen Tag nach seiner Entlassung anhand seiner Halskette identifizieren. Es war das Geld, 400 Euro, die er hier in vier Monaten in der Essenausgabe verdient hat. Sein Körper war es nicht mehr gewohnt. Der erste Schuss in Freiheit war sein Goldener. Solche Ereignisse ziehen alle hier runter, wie den Typen, den sie auf dem Klo vom Betttuch runterschneiden mussten, aber sie gehören hier leider dazu.
    »Sechs Monate reißt du auf einer Arschbacke ab« hallt es nach. Dragan hatte Recht. Meine Reise sollte viel länger dauern als erwartet, zum Glück habe ich den Strom abgestellt. Ich rechne längst nicht mehr in Tagen, die kleinste Maßeinheit sind 14 Tage, Einkauf und der Besuch meiner Freundin. Aber eigentlich streiche ich nur noch Monate ab, andere streichen Jahreszeiten und andere eben einfach Jahre. Winter ist die beste Zeit zu sitzen, da verpasst man draußen am wenigstens, zumindest fühlt es sich so an. Silvester schmeißen uns die Angels Bier, Schnaps und Drogen über die Mauer. Das meiste haben die Beamten gefunden, den Rest nicht.
    »Nu davaj – Mach’s gut!«, schrei ich Wlad über den Hof hinterher, als sie ihn entlassen, er nimmt den ersten Flug nach Moskau. Erst nimmt dir der Knast deine Lieben und Freunde, dein Leben, dann nimmt er dir deine Jungs. Ein guter Tag, ein Freund ist frei, ein trauriger Tag, ein Freund ist weg. Andi und ich lassen uns sofort zusammenlegen, auf Piccos und Geldstrafen habe ich keinen Bock mehr … am selben Abend noch teilen wir die Zelle 313.
    Ein Weihnachten, ein Silvester, zwei Geburtstage später rückt meine Entlassung näher. Ich

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