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hören noch sein ängstliches Gemurmel.
»Allah u akbar, Allah u akbar.«
Danach lachen der Andi und ich so ab, wie wir das noch nie zuvor getan haben. Ich kriege keine Luft mehr, ich hab Krämpfe in der Lunge, ich denke, ich kann nie wieder aufhören, so schüttelt mich das. Da steht auf einmal der Arab in unserer Zelle.
Er sagt ganz leise: »Verarscht ihr den Gonzo?«
Und der Andi erschreckt: »Wieso?«
Der Arab ernst: »Gonzo hat mich als Muslim aufgesucht.«
Und ich: »Ach, der Gonzo ist doch gar kein Muslim.«
Aber der Arab: »Doch, der Gonzo ist Muslim.«
Und ich wieder: »Wie kann denn so was Muslim sein, das ist unmöglich, der sündigt doch jeden Tag tausendmal.«
Aber der Arab bleibt dran: »Was habt ihr ihm erzählt?«
Und der Andi: »Gar nichts.«
»Habt ihr ihm erzählt, dass es Schweinemilch gibt?«
Es ist erst einen Tag her, da hat der Arab einen Mann für ein paar Spritzer Wasser zusammengewichst. Ich bin nicht sicher, ob für den Schweinemilch nicht schlimmer ist. Aber dann erzählt er, wie er Gonzo auf dessen Zelle hat beten sehen und wie er ihm klarmachen wollte, dass es keine Schweinemilch gibt, aber der Gonzo war so voller Panik, er hat ihm nicht geglaubt.
»Jungs«, sagt der Arab, »so was macht man nicht.«
16
Unter uns allen ist der Kupp eigentlich das beste Beispiel für gelungene Resozialisierung. Draußen war er ein harter Drogendealer. Keiner, der sich stellt, nur weil die Bullen mit dem Auto hinter ihm her sind. Sie haben ihn zwischen einer Häuserwand und ihrer Motorhaube erwischt, seitdem ist sein Knie kaputt, und er muss Schmerzmittel nehmen, von denen er inzwischen abhängig ist. Jeden Tag geht er während der Freistunde rüber zu den Geldstrafen und tauscht Pillen. Er ist Mitte vierzig, ein gemütlicher Typ mit großen Händen. Sitzt jeden Abend in der Zelle und schaut Pornos. In seinem Schrank lagert eine solche Anzahl Filme, dass ich das als Bibliothek bezeichnen würde. Sie sind alle mit Buchstaben und Nummern beschriftet, damit er sie findet. Aber das macht ihn jetzt noch nicht zum Mustergefangenen.
Der Kupp ist unser Gärtner. Er ist dafür zuständig, dass der Gefängnishof sauber ist, keine Zigaretten rumliegen, keine Äpfel, kein Mist, der aus dem Fenster geworfen wird. Das muss alles eingesammelt werden. Früher hat unser Hof einfach immer wie Scheiße ausgesehen. Es gab nur ein bisschen Wiese, überall waren Löcher von den Kaninchen, und der ganze Rest war grau. Aber dann wurde der Kupp im Frühjahr Gärtner und ließ sich von der Kammer eine kleine Schaufel geben. Die Zelle von Wlad und mir liegt direkt zum Hof raus, und den ganzen März und April über haben wir den Kupp in der Erde rummachen sehen.
Ich sag also: »Hey Kupp, was verbuddelste denn da?«
Er schaut so auf: »Blumenzwiebeln.«
Und ich sag: »Kommst du von Schöner Wohnen , Mann?«
Im Mai aber gingen an den Stellen, an denen der Kupp auf der Erde rumgerutscht war, überall Blumen hoch. Unser Haus ist von einem eigenen Zaun umgeben, und überall entlang des Zauns hatte der Kupp richtige Beete angelegt, sauber abgesteckt und eingefasst. Morgens nach dem Frühstück verabschiedete sich der Kupp immer mit dem Satz, ich geh raus in meinen Garten. Und wenn er jetzt abends auf seiner Zelle Pornos schaute, dann stand da immer ein frischer Blumenstrauß auf dem Tisch. Er hatte auch für mich immer ’ne gute Blume am Start, wenn meine Süße mich besuchen kam.
Irgendwann hat ihm das mit dem Blühen nicht mehr gereicht, er wollte was, das man richtig ernten konnte, und so hat er den alten Scherer bequatscht, ob er sich nicht Tomatensamen bestellen darf. Das war die Zeit, als der Holger unten auf der Kammer schon wegen unserer T-Shirts am Kotzen war, nun kam der Kupp und wollte Gemüse im Knast pflanzen. Außerdem brauchte er eine kurze Hose, weil es ihm sonst zu warm wird. Aber er hat das durchgekriegt. Er hat die Tomaten in der Zelle großgezogen und, als es warm genug war, rausgepflanzt. Von da an hatten wir außer den Blumenbeeten auch zwei riesige Rechtecke, die mit Tomatenreihen gefüllt waren. Die Dinger hatten bald so kleine gelbe Blüten, und der Kupp band sie mit seinen dicken Händen ganz vorsichtig an Stöcke an. Es hat richtig gut ausgesehen, als langsam der Sommer einsetzte, ganz und gar nicht mehr wie früher.
Einmal kommen der Herr Karl und der alte Scherer während der Freistunde zum Zaun gelaufen und rufen den Kupp zu sich.
Der Karl ist superfreundlich: »Herr Kupp, ist ja toll,
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