Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
Vom Netzwerk:
Natürlich war dem Müller klar, dass der Typ auf der Station nur Feinde hatte und dass ihn die Gefangenen nicht verpfeifen werden. Der sieht, dass die Station den Polen nicht haben will, und in dem Moment sind der Müller und der Arab sozusagen befreundet. Für die Leute war das einfach ein Ereignis, über das noch Tage getratscht wird, für das Individuum ist es eine Katastrophe.
    Bei so Sachen stelle ich mir die Frage, ob geschlossener Vollzug Sinn macht.
    Man ist 24 Stunden sieben Tage die Woche von krimineller Energie umgeben. Woher man eine AK-47 bekommt, hätte ich letztes Jahr nicht beantworten können, jetzt würde ich »’ne gebrauchte oder ’ne neue« zurückfragen können und das, ohne mich aktiv damit auseinandergesetzt zu haben. Dimensionen verändern sich. Während ich Drogenmengen bisher nur in Grammeinheiten und eben die Straßenpreise kannte, sitzt man hier zwangsläufig direkt beim Großhändler auf der Zelle. Bessere Qualität, größere Menge, viel besserer Preis. Knast als Schule? Auf jeden Fall. Für den, der das will, ist Knast – Geschlossener – eigentlich Pflicht. Wie ein Fachmessenbesuch. Die Leute hier trifft man ja nicht beim Bäcker, oder vielleicht schon, aber man wird sie nicht erkennen.
    Ich habe den Bezug zu Verbrechen, zu Sühne, Gerechtigkeit, legal und illegal verloren. Ich komm nur mit Lügnern, Kifis und den Verrätern nicht klar. Ein ehrlicher chronischer Bankräuber, sympathisch. Ich will alles wissen. Die Neugierde, wie es sich wohl anfühlen muss, einen Geldtransporter zu stehlen und mit seinen zwei Komplizen nach dem Überfall die ergaunerten 1,8 Millionen Euro in ’ner Garage zu zählen. Die Lebensläufe, auf die man hier stößt, die Erfahrungen sind spannender als jeder Krimi, trauriger als jedes Drama, es ist echt, sehr oft zu echt, faszinierend.
    Ich sitze noch so in Gedanken auf der Zelle, als die Tür aufgeht und Ablenkung reinkommt. Es ist natürlich der Gonzo!
    »Oli, hast du noch irgendwelche Süßigkeiten?«
    Ich hab immer Süßigkeiten im Schrank, Schokolade, Haribo, das weiß der Gonzo. Normalerweise würde ich mit ihm ein paar Scherze machen von wegen, wie er denken kann, dass ich meine gute teure Schokolade so ’nem Drogendealerschwein gebe. Aber danach ist mir heute nicht. Ich geh zum Schrank und geb ihm ’ne ganz besondere Zartbitter von Wlad. Er kennt die gar nicht, aber das Label verrät ihm, dass es was Teures ist.
    Er gleich so: »Super, kann ich die ganz haben?«
    Und ich: »Ja, die kannst du ganz haben.«
    Dann verdrückt sich der Gonzo aus der Zelle wie eins von diesen Tierchen, das was erbeutet hat, das die anderen nicht sehen sollen, damit sie’s ihm nicht wegnehmen, als er, dummerweise muss man sagen, auf dem Gang dem Andi in die Arme läuft.
    »Gonzo, was hast du da?«, fragt der Andi.
    Und der Gonzo: »Nichts.«
    Aber der Andi schnallt natürlich sofort, dass der Gonzo was bunkern will. Er versucht ihm, die Hand hinter dem Rücken vorzubiegen, aber der Gonzo windet sich raus und rennt weg.
    »Was hat denn der Chivato schon wieder abgestaubt?«, fragt der Andi, als er zu mir auf die Zelle kommt.
    »’ne Schokolade, Luxus, Zartbitter.«
    »Der kriegt so was geschenkt und gibt nichts ab?«
    »Kennst ihn doch. Der zieht sich das Ding komplett rein.«
    »Na warte, Kurde!«
    Zwanzig Minuten später kommt der Gonzo wieder an, um so rumzugucken, was es Neues gibt. Da gibt ihm der Andi eins mit.
    Er so zum Gonzo: »Du bist aber ’n komischer Muslim, was?«
    Und der: »Wieso? Wollt ihr mich schon wieder verarschen?«
    Jetzt der Andi fast schon besorgt: »Nee, es ist nur, die Schokolade, die du da vorhin gegessen hast, also du weißt aber schon, dass die aus Schweinemilch gemacht ist, ’ne?«
    Gonzo sofort in Aufruhr: »Oli, wieso hast mir nichts gesagt? Ich darf doch nichts vom Schwein essen.«
    Und ich: »Gonzo, was soll ich denn dazu sagen? Du wolltest die Schokolade unbedingt haben. Ich hab gedacht, du nimmst das mit der Religion nicht so ernst, wenn es um Schokolade geht.«
    Da wird der Gonzo starr: »Aber ich darf das nicht!«
    Und der Andi: »Gonzo, ist doch nicht so schlimm, Allah ist ja jetzt nicht sofort sauer auf dich. Du wusstest das doch nicht.«
    Aber der Gonzo hängt schon fest: »Ich darf das echt nicht!«
    Er überlegt, ob er sich den Finger in den Hals steckt, aber das bringt ja bei Schokolade nichts. Dann will er sofort auf seine Zelle und beten. Er rennt in heller Panik auf den Gang, lässt die Tür offen stehen, und wir

Weitere Kostenlose Bücher