315 - Apokalypse
Kostüm und ihren blonden Haaren, die als Dutt auf dem Hinterkopf saßen, wirkte sie so streng wie eh und je.
Aber sie ist immer noch so schlank und so hübsch, dachte Kareen. Ein bisschen Wehmut stieg in ihr hoch, als die WCA-Präsidentin zu Mister Black trat, sich kurz an seine Brust drückte und ihm den künstlichen Arm hinstreckte. Wer es nicht wusste, hätte es allerdings nicht bemerkt. Händchen haltend ging sie mit dem Schwarzenegger-Klon hinaus.
Kareen suchte Sigurs Hand. Den Kleinen hatte sie noch immer auf dem Arm. So folgte die kleine Familie dem Präsidentenehepaar, den »Royals von Waashton«, wie Mr. Black ihre inzwischen öffentlich gemachte Beziehung gerne spöttelnd nannte.
Wie sich doch die Zeiten ändern...
Es war noch nicht so lange her, da hatte sie als Honeybutt Hardy an Mr. Blacks und Mr. Hackers Seite als Running Man den menschenverachtenden Imperialismus des Weltrats, für den vor allem General Arthur Crow gestanden hatte, bis aufs Messer bekämpft. Heute, nach Crows Rausschmiss aus der WCA und Cross’ neuer Ausrichtung waren sie Verbündete. Aiko Tsuyoshi, nach dem sie ihren Sohn benannt hatte, gab es längst nicht mehr – wie so viele Mitstreiter auf diesem harten Weg. Aiko war vor Sigur ihre große Liebe gewesen. Und wer wusste schon, wie es ausgegangen wäre, hätte den Cyborg aus Amarillo nicht ein tragisches Schicksal ereilt.
Jetzt bin ich Mama und habe eine tolle Familie. Ich muss und will nicht mehr kämpfen. Also ist alles gut, so, wie es gekommen ist...
Ganz kurz dachte Kareen an den Streiter. Aber deswegen machte sie sich keine gesteigerten Sorgen. Dieses... Ding war zu abstrakt und zu weit weg, um in ihren Gedanken wirklich eine Rolle zu spielen. Es passte ganz und gar nicht in ihre friedlich gewordene, kleine Alltagswelt; wenn man von dem kurzen blutigen Intermezzo mit der Kroow-Mutation einmal absah.
Matt wird’s schon für uns richten, dachte sie. Er und Takeo sind ein richtig gutes Gespann. Was immer sie da am Südpol zusammenbauen, es wird die Gefahr abwenden, da bin ich mir sicher...
Im Nebenraum des Oval Office war das Buffet aufgebaut. Es roch verlockend nach gegrilltem Fleisch, Kartoffeln und verschiedenen Soßen. Die überquellenden Tische, die von Bediensteten trotzdem noch weiter bestückt wurden, präsentierten sich im sanften elektrischen Licht eines großen gläsernen Kronleuchters, der von der Decke hing. Auch die Lampen an den Wänden verbreiteten angenehm gedämpftes Licht und ließen die zugezogenen weißen Vorhänge leuchten. Denn draußen war es bereits dunkel.
»Bist du sicher, dass ihr da nicht ein wenig übertreibt?«, fragte Kareen an Mr. Black gewandt. »Das sieht ja aus wie bei einem offiziellen Staatsempfang. »Wenn ich mich recht erinnere, hast du irgendwas von einer kleinen privaten Einladung gesagt.«
»Ach, kein Problem, das kriegen wir schon alles weg.« Walter Buckfield, ein ehemaliger Gleiterpilot, auf dessen Ranch die Hardy’sche Familie wohnte, grinste breit. Seine Frau Hedda, die neben ihm stand, nippte bereits an einem Weinglas.
Plötzlich flackerte das Licht. Und ging im nächsten Moment ganz aus. Völlige Dunkelheit herrschte. Es klirrte. Ein Glas war auf dem Boden zerschellt. Baby Aiko begann zu weinen, während die Erwachsenen nach Lampen riefen. Gleich darauf kamen Angestellte mit Windlichtern und Sturmlaternen herein.
»Der Stromausfall macht das Ganze noch viel romantischer«, bemerkte Sigur Bosh, der seinen Sohn längst wieder beruhigt hatte. »So lassen wir’s. Die Techniker werden den Schaden sicher nicht so schnell beheben, wie ich die Burschen kenne.«
Hinter den Bediensteten drückte sich General Diego Garrett, der Oberbefehlshaber der Bunkerstreitkräfte, in den Raum. Im flackernden Licht wirkte sein Gesicht zerfurchter, als es ohnehin schon war.
»Nicht schon wieder«, stöhnte Sigur Bosh in Kareens Richtung. »Wahrscheinlich will er einen weiteren Anschlag irgendeines Irren melden. Was ist bloß los in Waashton?«
»Madam President, Mister Black, ich störe Sie nur ungern bei einer Festivität, aber das müssen Sie sich unbedingt ansehen. Kommen Sie bitte mit.«
Garretts Ton alarmierte die Anwesenden. »Ihr bleibt hier und lasst es euch gut gehen«, sagte Alexandra Cross bewusst locker. »Wir sind gleich zurück. Okay?«
Cross und Black folgten dem hastig gehenden General durch ein Weißes Haus, in dem es eigentlich dunkler hätte sein müssen. Aber durch die Fenster drückte ein seltsam glänzender
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