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316 - Die Pest in Venedig

316 - Die Pest in Venedig

Titel: 316 - Die Pest in Venedig
Autoren: Michelle Stern
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verstaute sie in Matts Jacke, deren Ärmel sie verknotete. Die Sorge jedoch blieb. Würde der Savi wie ein Tier über sie herfallen, wenn sie die Schwelle seines kleinen Palastes überschritten hatte?
    Durch einen Nebeneingang betraten sie das Haus. Xij fiel auf, dass die Wachen des Savi ihnen gefolgt waren und nun Position um das Gebäude bezogen. Sie warf einen letzten Blick die Gasse zum nächsten Platz hinunter, dann fiel die schwere Holztür vor ihrer Nase zu. Angespannt lauerte sie auf einen Annäherungsversuch des Dogenberaters. Der Blick seiner blauen Augen wirkte unergründlich auf sie. Lag darin Lust, Neugierde, oder letztlich nichts von beidem?
    Er führte sie eine schmale Treppe hinauf zu einem einfach eingerichteten Zimmer: ein Bett, eine mit schönem Stoff bespannte Sitzbank und mehrere bunte casse – aufwendig bemalte Truhen. Einzig die Art der Materialien, einige Ziergegenstände sowie zwei wuchtige Gemälde an den Wänden wiesen auf den Reichtum des Besitzers hin.
    Angelo da Bellini trat an eine der reich bemalten Truhen und holte ein Kleid heraus. »Das dürfte dir passen.«
    In Xijs Nacken stellten sich feine Härchen auf. »Wem gehörte das Kleid?«
    »Meiner Schwester.« Es klang ganz glatt, kam eine Spur zu schnell. Er log.
    »Eurer Schwester, ja?«
    »Sie starb vor zwei Jahren. Das ist das Zimmer ihres Dienstmädchens. Ruh dich aus, Xij. Ich lasse dir Wasser und Obst bringen. Giovanna wird sich um dich kümmern, während ich fort bin. Später werden wir uns ausführlich unterhalten.«
    Unterhalten. Schon klar. Xij griff nach dem Kleid. Sie schaffte es nicht, sich zu bedanken. Auch wenn Angelo da Bellini ihr geholfen hatte, der rasenden Menge zu entkommen – sie war keine Puppe, mit der er spielen konnte. Trotz ihrer Lage zwang sie sich zu einem Lächeln. »Viel Glück bei Eurem Gespräch.«
    Er lächelte zurück. »Mit Glück hat das wenig zu tun. Der Doge frisst mir aus der Hand. Aber ich will ihn nicht warten lassen. Geduld ist seine Stärke nicht.«
    Angelo da Bellini ging. Xij ließ sich auf das Bett sinken, mit dem Kleid in den Händen, und fühlte die tiefe Erschöpfung, die über sie kam. Obwohl sie große Pläne hatte und sofort fliehen wollte, war ihr Körper stärker als sie. Sie sackte auf das Bett und schlief ein, kaum dass sie lag.
    Leise Schritte weckten sie. Xij fuhr hoch. Wie lange hatte sie geschlafen? Kam da Bellini schon zurück?
    Eine dunkelhäutige Frau lächelte sie an. Sie trug die Kleidung einer Bediensteten. »Hallo, Xij. Ich bin Giovanna. Ich komme, um dich zu waschen und neu einzukleiden.« Sie wies auf einen Eimer mit Wasser. »Essen bringe ich gleich. Möchtest du etwas trinken?«
    Xij nahm dankbar einen Krug voll Wasser an und trank in großen Zügen. Dann ließ sie sich von Giovanna in das Kleid helfen. Die Bedienstete zeigt sich erstaunt, als Xij darauf beharrte, ihre eigenen Sachen unter dem Kleid zu tragen. Zum Glück war es oben geschlossen und lang genug, dass weder ihr Top, noch die Stiefel sichtbar wurden. Matts Jacke schlang sie sich um die Hüften und verknotete die Ärmel über dem Bauch.
    »Sag, Giovanna, wie lange wird Angelo da Bellini fort sein?«, fragte Xij, als sie fertig waren.
    »Oh, vielleicht noch zwei Stunden, vielleicht drei. Du wirst nicht lang allein sein.«
    »Allein?« Das Wort weckte Hoffnung.
    »Ja, ich muss noch zum Markt, bevor es zu spät ist. Mein Herr möchte dir ein besonders gutes Essen zubereiten lassen.«
    »Wie aufmerksam von ihm.« Xij sah ihre Chance. Sie redete nur das Nötigste mit Giovanna und erfuhr zumindest, dass das Verhalten ihres Herrn ungewöhnlich war. Er blieb sonst lieber für sich allein. Ein Frauenheld war er nicht. Selbst die Magd wohnte nicht im Haus, sondern erledigte am Nachmittag Einkäufe, Botengänge und reinigte den Hausrat.
    Als die Tür hinter Giovanna endlich ins Schloss fiel, stand Xij schon auf der Treppe nach unten. Sie hatte die Decke dabei, die der Dottore ihr überlassen hatte. Außerdem hatte sie daran gedacht, Obst für Matt mitzunehmen. Sie ging hinunter und fand den Eingang unverschlossen.
    Eilig wollte sie aus der großen Holztür auf die Gasse schlüpfen, als sie die bewaffnete Wache bemerkte sah. Der Mann drehte sich zu ihr um und kam auf sie zu. Xij zog sich hastig zurück und schloss die Tür wieder. Sie hielt den Atem an. Einen Augenblick fürchtete sie, der Kerl habe einen Schlüssel und würde hereinkommen, aber nichts dergleichen geschah.
    So ein verdammter Mist. Kein Zweifel,
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