32 - Der Blaurote Methusalem
allereinfachste von die janze Welt.“
„Heraus damit!“
„Na, nur Jeduld! Ich stelle mich die Sache nämlich folgendermaßen vor: Wie du mich, so ich dich!“
„Wieso?“
„Er will ihm uns verjraben, nun verjraben wir ihm ihn.“
„Dummes Zeug! Wer soll das verstehen! Rede doch nur deutsch, ordentlich nach der Grammatik!“
„Wenn ich derjenige bin, welcher die Kastanien aus dem Feuer holen
soll, so hat die Jrammatik sich nach mich zu richten und nicht ich mir
nach sie. Verstanden! Mein Mittel ist ein jutes deutsches. Es jründet
sich auf ein altes, deutsches, echt jermanisches Sprichwort, welches in
andrer Weise lauten würde: ‚Wie es aus dem Wald schallt, so schallt es
wieder hinein‘.“
„Umgedreht ist es richtig!“
„Nein. Dat muß ich verstehen. Ich meine nämlich: Er will ihm in
unserm Wald verjraben, jut, so verjraben wir ihm in dem seinigen,
nämlich den Jötzenonkel.“
Methusalem machte ein froh erstauntes Gesicht und rief: „Alle Wetter! Gottfried, du hast's, du hast's wirklich!“
„Nicht wahr! Jottfried hat ihm allemal! Auf diese Weise kommt unser
Freund hier in keine Jefahr. Der jetreue Nachbar und desgleichen macht
Anzeije, die Polizei kommt und jräbt hier nach, findet aber nichts.
Während sie mit die lange Nase dasteht, machen nun wir Anzeije. Man
jräbt beim juten Heinrich drüben und findet nun die Jöttlichkeit in
seinem eijenen Jarten. Was weiter?“
„Weiter nichts, weiter gar nichts! Das ist genug. Das bringt erstens
Rettung und ist zweitens ein Streich, so recht nach meinem Herzen.“
„Nach dat meinige auch. Und dat beste dabei is, daß wir keinen
Menschen und auch keinen Mandarin brauchen. Auch kommen wir selbst gar
nicht in Betracht, weder als Zeujen noch als Gejenzeujen mit Pflichteid
und jutes Jewissen. Wir handeln hinter die Kulissen und sehen von
unserm Olymp herab jemütlich zu, wat die Menschen für riesije
Dummheiten machen. Teilen Sie dem Mann diese meine Absicht mit. Ich bin
der Mann, der ihm jeholfen hat.“
„Ja, der bist du, denn ich glaube nicht, daß ich auf diesen
prächtigen Gedanken, welcher wohl nicht allzuschwer auszuführen sein
wird, gekommen wäre!“
„Ist auch kein Wunder, wenn der Methusalem nun mal altersschwach
wird und wackelig auf seine Jeisteskraft. Fragen Sie nur immer mir,
wenn Sie mal nicht vorwärts kommen können! Ich habe immer denjenigen
Rat, welcher jut ist, leider aber es doch nicht zum Jeheimrat bringen
wird.“
Methusalem teilte dem Chinesen mit, welchen Vorschlag Gottfried ihm
gemacht hatte. Der Juwelier faßte sich wieder bedenklich am Zopf. „Das
ist auch sehr gefährlich!“ sagte er.
„Aber das einzige, was Sie tun können.“
„Meinen Sie, daß es gelingen werde?“
„Das kommt auf die Lage der Gärten an. Wing-kan hat doch wohl auch einen?“
„Ja. Er ist genau so groß wie der meinige.“
„Sie stoßen aneinander?“
„Ja.“
„Wodurch werden sie getrennt?“
„Durch eine Mauer.“
„Ist diese zu übersteigen?“
„Ja.“
„So ist Ihnen geholfen. Sie warten, bis die Figur bei Ihnen
eingegraben worden ist, und nehmen sie dann schnell wieder heraus, um
sie beim Nachbar zu vergraben.“
„Aber wenn man mich dabei erwischt!“
„Das dürfen Sie eben nicht geschehen lassen. Sie müssen vorsichtig
verfahren. Wing-kan hat keine Ahnung davon, daß Sie von der Sache
wissen. Er wird also noch viel weniger ahnen, daß Sie ihm den Gott
hinüberschaffen.“
„Aber dazu bin ich allein zu schwach.“
„Sie haben ja Hände, welche Ihnen helfen werden.“
„Wessen Hände sollen das sein? In ein solches Geheimnis darf ich keinen meiner Leute ziehen.“
„Das ist auch gar nicht nötig. Sie haben doch uns.“
„Sie? Wollten Sie mir helfen? Ja, das wäre gut! Dann wollte ich es wagen!“
„Natürlich helfen wir Ihnen, und zwar sehr gern.“
„Wie dankbar werde ich Ihnen dafür sein! Aber da müssen Sie gleich bei mir bleiben.“
„Warum das?“
„Später können Sie nicht zu mir.“
„O doch. Man mag immerhin die Gasse verschließen. Wir wohnen ja in derselben.“
„In dieser Gasse? Wo da? Bei wem?“
„Nebenan beim Tong-tschi.“
Jetzt machte der Juwelier ein ganz neues Gesicht. Aus lauter
Überraschung hatte er sie gar nicht mit der vorgeschriebenen
Höflichkeit empfangen. Und dann war er allzusehr mit seiner Angst
beschäftigt gewesen, als daß er hätte darüber nachdenken können, ob er
vornehme oder gewöhnliche Leute vor sich habe.
„Beim Tong-tschi?“ fragte er.
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