32 - Der Blaurote Methusalem
zurücklassen?“
„Nein. Ich meine es ehrlich mit Ihnen. Hier dieser Mann wird bei Ihnen bleiben, teils um Sie bis zu meiner Rückkehr hier zu beaufsichtigen, wie ich Ihnen ganz offen gestehe, teils aber auch um Ihnen die Sicherheit zu geben, daß ich wiederkehre, um Sie abzuholen.“
„Gut, ich werde Ihnen mehr Vertrauen schenken als Sie mir. Ich bleibe in diesem Zimmer, bis Sie wiederkommen. Gehen Sie; aber lassen Sie mich nicht allzulange warten!“
Als der Blaurote von dem Mann sprach, welcher bei dem Mandarin bleiben sollte, hatte er auf Gottfried gezeigt. Dieser sagte jetzt: „Ja, gehen Sie! Ich werde mir jetzt hierher setzen und kein Auge von dem Chinesigen verwenden. Zieht er mich ein falsches Jesicht, so steche ich ihm eine Revolverkugel in den Leib. Ich lasse keinen Spaß mit mich machen.“
Er setzte sich nieder, so daß er sich zwischen dem Beamten und der Tür befand. Die andern entfernten sich. Der Methusalem führte sie auf demselben Weg hinaus, auf welchem er in das Gefängnis gekommen war. Keiner der Wächter wagte es, Widerspruch zu erheben. Als sie das Tor erreicht hatten, führte der Student die Befreiten nach dem Haus, in dessen Hof die Palankinträger warteten, und kehrte dann zu dem Mandarin zurück, indem er die Türen hinter sich wieder verschließen ließ.
Der Beamte stand gerade noch so wie vorhin mitten in dem Zimmer, und der Gottfried saß mit einer wahren Cerberusmiene auf seinem Stuhl.
„Dat ist schnell jegangen“, sagte der letztere. „Es war mich nicht sehr wohl zumute, mir so allein in dieses Prison zu wissen. Nun Sie aber wieder da sind, befinde ich mir von neuem bei die jewöhnliche Jeistesjegenwart und Todesverachtung.“
Die beiden nahmen den Mandarin zwischen sich und begaben sich mit ihm hinaus auf den Gang. Er führte sie in seine Wohnung, welche sich an der anderen Seite befand und aus drei kleinen Stuben bestand. Der Raum, in welchem sie bisher gewesen waren, schien nur eine Art Expeditionszimmer zu sein.
Er suchte Kleider, Geld und andere Gegenstände, welche er zur Reise brauchte, zusammen und schrieb dann einen Zettel, welcher auf dem Tisch liegenbleiben sollte. Derselbe enthielt die nötige Instruktion für den erwähnten Unterbeamten. Dann bat er um die Erlaubnis, zwei Sänftenträger rufen zu dürfen, welche am Gefängnis angestellt waren.
„Das ist nicht nötig“, antwortete der Methusalem. „Es wäre sogar sehr unvorsichtig, diese Leute zu wecken und sie wissen zu lassen, wohin wir gehen. Man würde uns vielleicht verfolgen. Wir haben eine Doppelsänfte, in welcher sich unsere Gewehre befinden. Da ist wohl noch Platz für Sie. Auf welche Weise aber können Sie mich sicher stellen, daß Sie, während wir durch die Stadt kommen, nicht Lärm schlagen und uns festhalten lassen?“
„Herr, ich bin kein Lügner. Ich versprach Ihnen, mit Ihnen zu gehen, und ich werde mein Wort halten. Doch habe ich Räucherstäbchen hier und kann Ihnen mein Kong-kheou geben, wenn Sie nicht damit zufrieden sind, daß ich Ihnen meinen Namen verpfände.“
„Wie heißen Sie?“
„Mein Schulname lautete Jin-tsian.“
„Und Ihr Geschlechtsname?“
„Pang.“
„Pang?“ wiederholte der Methusalem überrascht. „Ist das möglich!“
„Warum sollte es nicht möglich sein?“
„Weil ich einen kenne, welcher denselben Namen hat.“
„Herr, das ist kein Wunder, da es nur vierhundertachtunddreißig Geschlechts- oder Familiennamen gibt. Es sind also viele Tausende, deren Namen ganz derselbe ist.“
„Aber Sie sehen dem Betreffenden sehr ähnlich. Darf ich Sie nach Ihrem Stamm fragen?“
„Er heißt Seng-ho.“
„Wirklich? Seng-ho? Dann hätte meine Ahnung mich nicht getäuscht. Sie sagten, daß Sie nicht wissen, wo Ihre Eltern sich befinden. Vielleicht kann ich Ihnen Aufschluß geben. Stammen Sie aus der Provinz Kwéi-tschou?“
„Ja, diese Provinz ist meine Heimat“, antwortete der Chinese schnell. „Herr, warum diese Frage? Sie sprechen von einem Aufschluß. Kennen Sie meinen Stamm, meine Familie, meine Eltern?“
„Sagen Sie mir erst, ob Ihr Vater vielleicht Ye-kin-li geheißen hat!“
„Ja, ja, Herr. Ye-kin-li war sein Titelname. Sie kennen denselben! O Himmel, o Geist der Welten! Sie sind als Feind zu mir gekommen; Sie haben mich gezwungen, gegen meine Pflicht zu handeln, und nun sprechen Sie von meinem Vater. Vielleicht hat gerade das Glück Sie zu mir geführt. Vielleicht war es der Wille der Allweisheit, daß ich mein Amt verlassen und mit
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