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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Höhere, er oder ich?“
    „Ich natürlich, ich!“ rief der Steuerbeamte, welcher alles gehört hatte, indem er aufsprang: „Ich bin der hochgeehrte Yao-tschang-ti des Lichtes aller Könige. Wer kann behaupten, mehr zu sein als ich ich?“
    Er kam säbelrasselnd herbei und richtete seine kleine, dürre Gestalt möglichst hoch vor dem Methusalem auf. Seine Kleidung war diejenige eines chinesischen Beamten, doch trug er auf seiner Mütze eine einfache vergoldete Kugel, das Zeichen des niedrigsten Mandarinenranges. Dafür aber hatte er, um Ehrfurcht zu erwecken, zwei lange Säbel umgeschnallt; der eine hing ihm an der rechten und der andere an der linken Seite. Ein Bart war ihm nicht gewachsen, um so länger aber war sein Zopf, welcher ihm fast bis zu den Füßen reichte und jedenfalls eine tüchtige Portion falschen Haares gekostet hatte. Während er sprach, ergriff er die Säbel und stampfte mit denselben den Boden, daß es klirrte.
    Da trat Jin-tsian zu ihm heran und fuhr ihn an: „Schweig! Was bist du gegen uns? Eine Mücke, welche ich mit dem Finger zerdrücken kann! Siehst du nicht, daß ich die blaue Kugel trage? Und dieser hochgeborene Herr, an welchen du deine albernen Worte gerichtet hast, zeigt nur aus Gnade nicht den kostbaren roten Stein, welchen zu tragen er berechtigt ist. Laß dir zeigen, daß er den Kuan des Himmelssohnes besitzt, und sinke auf die Knie vor ihm!“
    Der Steuereintreiber knickte zusammen, als ob er von jemandem niedergedrückt würde. Er kniete wirklich vor Degenfeld hin, senkte das Gesicht fast auf den Boden nieder und bat: „Verzeihen Sie, erlauchter Gebieter, daß ich nicht wußte, welch eines Ranges Zeichen Ihre mir unbekannte ehrwürdige Kleidung ist. Ich bin der geringste Ihrer Sklaven und halte mich bereit, alle Ihre Befehle augenblicklich zu erfüllen!“
    Degenfeld ließ ihn knien, ohne ihn weiter zu beachten, und wandte sich an den Ho-tschang, um diesem die Weisung zu geben, die Fahrt so bald wie möglich zu beginnen. Man hatte alles schon dazu vorbereitet; der Anker war bereits aufgezogen, und die Dschunke hing nur noch mit einem Tau am Ufer. Dieses wurde eingenommen, und sofort strebte das Fahrzeug unter dem Geräusch der Ruderschläge der Mitte des Stroms zu. Dort wurden die Segel gehißt, und der günstige Wind richtete den Schnabel des Schiffes gegen den Fluß.
    Die dazu nötigen Befehle hatte der Ho-tschang erteilt. Von dem Scheu-pi war nichts zu sehen, und auch der mächtige Steuereintreiber schien verschwunden zu sein.
    Nun wies der Ho-tschang seinen Passagieren die für sie bestimmten Räume an. Dieselben waren prächtig eingerichtet und nur für diejenigen Kriegsmandarine bestimmt, welche den Tausendfuß gelegentlich zu ihren Dienstreisen benutzten.

FÜNFZEHNTES KAPITEL
    Zu Wasser und zu Lande nach Hu-nan
    Unter dem Verdeck lag der Raum für die Ruderer, von denen je vierzig an einer Seite saßen. Zwei Personen gehörten zu einem Ruder, welche eine sehr bedeutende Länge hatten und das Schiff ziemlich schnell gegen den Strom bewegten, wobei sie von dem Wind, wenn derselbe günstig war, unterstützt wurden.
    Nun wurde der Methusalem gefragt, ob er das Festmahl in seiner Kajüte oder auf dem Deck aufgetragen wünsche. Er zog das letztere vor, da die Nacht sehr mild war. Als er den andern mitteilte, daß man im Begriff war, sie durch ein Nachtessen zu ehren, rief der Dicke: „Dat is goed; dat is hemelsch! Ik heb honger; ik moet eten. Gij ook, Mijnheer Turnerstick – Das ist gut; das ist himmlisch! Ich habe Hunger; ich muß essen. Sie auch, Herr Turnerstick?“
    „Ja“, antwortete der Gefragte. „Essen muß der Mensch zu jeder Zeit können, und nach den Strapazen, welche wir hinter uns haben, ist eine Stärkung ganz besonders notwendig.“
    „Na, wenn Sie es eine Strapaze nennen, sich im Gefängnis auszuruhen, so nehmen Sie, obgleich Sie es nicht verdienen, mein Beileid entgegen“, sagte Gottfried.
    „Was, nicht verdienen?“ rief der Kapitän.
    „Natürlich! Wer ist denn schuld an die janze Weltjeschichte? Doch nur Sie selbst! Warum kommen Sie auf den horriblen Jedanken, Ihnen als Jötzen Dschaggernats in den Tempel zu postamentieren? Wat hat Ihnen denn eijentlich unter die Haut jekrabbelt, dat Sie auf so eine Assoziation der Jedanken und Mißbegriffe jeraten konnten?“
    „Nichts hat uns gekrabbelt. Verstanden!“ rief der Kapitän zornig. „Mich krabbelt überhaupt niemals etwas; das mögen Sie sich merken, Sie Gottfried von der traurigen Gestalt! Wie

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