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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Leibeskräften. Dann erst, als die Pfeife sich in ‚Schuß‘ befand, antwortete er in würdevoller Weise auf die Bewillkommnungsrede des Mandarinen.
    Dieser verbeugte sich noch tiefer und lud die erlauchten Herrschaften ein, sich in das Haus zu bemühen. Der Neufundländer verstand die Armbewegung des Beamten sofort und wandte sich dem Tor zu, um langsamen Schrittes und in selbstbewußter Haltung voran zu schreiten. Hinter ihm kam der Methusalem, gefolgt von seinem Gottfried, welcher wie gewöhnlich die Pfeife und die Oboe trug. Beide verschmähten es, einen Blick auf die Bediensteten zu werfen, unter denen sich mehrere Mandarinen niederen Grades befanden. Turnerstick entfaltete seinen Fächer und der Mijnheer seinen Regenschirm; dann reichten sie sich die Hände und schritten, gefolgt von den beiden Brüdern, hinter Richard Stein her, welcher sich auch ein Ansehen gab, als ob er direkt aus der kaiserlichen Residenz Peking komme. Die Gewehre und andern Effekten wurden nicht berührt, da diese Gegenstände von der Dienerschaft nachgebracht werden mußten.
    Ein solches Verhalten war hier so ungewöhnlich oder vielmehr so einzig, daß der Mandarin gar nicht wußte, wie er sich dazu verhalten sollte. Hinter den Gästen herzuschreiten, das verbot ihm seine Würde. Vor ihnen, also vor dem Hund herzugehen und dessen Führung zu sein, das vertrug sich ebensowenig mit seiner hohen Stellung. Daher versuchte er, hinter dem Tier und vor dem Methusalem Platz zu finden. Da aber hielt der Neufundländer an, richtete sich auf und fletschte knurrend die Zähne. Der Mandarin erschrak und wich zurück, um nun doch hinter seinen Gästen herzugehen. Er schüttelte den Kopf und suchte voller Angst in seinem Gedächtnis nach, ob in der chinesischen Literatur der Sitten und Gebräuche ein Paragraph zu finden sei, welcher davon handle, wie man sich gegen eine Dschin-gan, zu deutsch Hunde-Exzellenz, zu verhalten habe.
    Es ging durch einen breiten Flur und dann eine ebenso breite Treppe hinan. Da der Hund nicht wußte, ob er sich nach rechts oder nach links zu wenden habe, so blieb er stehen und die Herren mit ihm. So erhielt der Mandarin Raum, vorzutreten und nach links zu zeigen, wo ein Diener soeben eine Tür öffnete und sich dann hinter derselben zur Erde warf.
    Der Neufundländer verstand den Mandarinen abermals. Er wandte sich nach der angegebenen Richtung, schritt durch die Tür in das große Zimmer, welches als Empfangssaal zu dienen schien, sah sich dort kurz um und legte sich dann lang auf ein sofaähnliches Polstermöbel, welches mit gelber Seide überzogen war. Wäre das daheim geschehen, so würde er jedenfalls mit einigen Hieben bedacht worden sein. Hier aber tat Degenfeld gar nicht, als ob er es bemerke. Er schritt vielmehr auf ein ähnliches Polster zu, deren mehrere rundum standen, und ließ sich gravitätisch auf dasselbe nieder, während der Gottfried sich als getreuer Schildknappe und Pfeifenträger hinter ihm aufstellte.
    Die andern suchten sich ähnliche Plätze, so daß der Mandarin der einzige war, welcher stehen blieb. Er machte ein so verblüfftes Gesicht, daß seine Gäste Mühe hatten, ernst zu bleiben. Doch überwand er seine Verlegenheit leidlich gut und fragte dann, was zu den Befehlen der erleuchteten Herrschaften stehe.
    Degenfeld tat einen tüchtigen Zug aus der Pfeife und antwortete dann: „Wir wollen über die Grenze nach der Provinz Hu-nan gehen und werden, bis wir die dazu nötigen Vorbereitungen getroffen haben, hier bei Ihnen wohnen. Hoffentlich kann ich dann später melden, daß wir Ihnen willkommen gewesen sind!“
    Höchstwahrscheinlich war das Gegenteil der Fall, doch antwortete der Beamte in verbindlichstem Ton und unter einer tiefen Verbeugung: „Meine Unwürdigkeit hat bereits gesagt, daß ich den gebietenden Herren mich und mein ganzes Haus zur Verfügung stelle. Jeder ihrer Befehle wird so schnell ausgeführt werden, als ob er über meine eigenen Lippen gegangen sei.“
    „Das erwarte ich allerdings. Sie werden aus meinem Kuan ersehen haben, daß ich hier fremd bin, und mir nur die beste Auskunft erteilen. Auf welche Weise können Männer unsres Ranges nach Hu-nan reisen?“
    „So hohe Herren haben die Wahl zwischen Pferden oder Palankins. Ich werde alles Nötige zur Verfügung stellen, gute Führer mitgeben und auch einem tapfern Tsing-wei gebieten, die ehrwürdigen Gönner zu begleiten und zu beschützen, bis sie sich jenseits der Grenze befinden und dort eine andre Bedeckung

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