Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
können Sie von Mißbegriffen sprechen! Heimdall Turnerstick und Mißbegriff! Das ist geradezu eine Majestätsbeleidigung!“
    „Ja. Wenigstens war dat Ihrige Aussehen ein höchst majestätisches, als Sie sich mit die Chinesigen herumbalgten. Kommen Ihnen noch mehr solche bunte Raupen in das Jehirn, so können wir nur gleich umkehren und nach Hause pilgern.“
    Turnerstick wollte, wie ihm anzusehen war, eine nicht allzu höfliche Antwort geben, doch der Methusalem kam ihm in sehr ernstem Ton zuvor: „Gottfried hat ganz recht! Sie haben sich und uns in die größte Verlegenheit gebracht, und wir können Gott danken, daß die Sache ein so gutes Ende genommen hat. Ich muß Sie wirklich ersuchen, sich nicht wieder solchen augenblicklichen und gefährlichen Einfällen hinzugeben. Ich hatte mir vorgenommen, Ihnen eine tüchtige Strafrede zu halten; da ich aber mit derselben das Geschehene nicht ungeschehen machen kann und Ihr Abenteuer uns ein sehr freudiges Ereignis in Aussicht gestellt hat, so will ich schweigen.“
    „Ein freudiges Ereignis? Welches?“ fragte der Kapitän, bemüht, schnell auf ein anderes Thema zu kommen.
    „Wir haben die Bekanntschaft eines Mannes gemacht, von welchem ich vermute, daß er mit unserm guten Liang-ssi verwandt ist.“
    „Mit mir?“ fiel schnell der Chinese ein.
    „Ja, mit Ihnen.“
    „Wer ist das?“
    „Hier unser wackerer Mandarin, welcher nicht nur in Ihre Befreiung gewilligt, sondern sich auch entschlossen hat, uns bis nach Deutschland zu begleiten.“
    „Nach – Deutsch – land?“ fragte Liang-ssi erstaunt und gedehnt. „Wa – rum?“
    Sein Blick ging forschend zwischen dem Methusalem und dem Mandarin hin und her.
    „Fragen Sie ihn selbst“, antwortete der erstere. „Fragen sie ihn vor allen Dingen und zuerst nach seinem Namen!“
    Der Mandarin hatte die deutschen Worte nicht verstanden, doch ahnte er, da aller Augen auf ihn gerichtet waren, daß die Rede von ihm sei. Er nannte, als er von Liang-ssi gefragt wurde, seinen Namen. Als der Fragende denselben hörte, fuhr er einen zwei, drei Schritte zurück und rief: „Jin-tsian! Und ich hieße Liang-ssi.“
    „Liang-ssi!“ stieß der Mandarin hervor. „So hieß mein Bruder, welchen ich verloren habe.“
    Einige Sekunden lang waren ihre forschenden Blicke gegenseitig aufeinander gerichtet; dann eilten sie aufeinander zu und lagen sich in den Armen.
    „Was ist das?“ fragte Turnerstick. „Warum umarmen sie sich?“
    „Sie sind Brüder“, antwortete Degenfeld. „Ich habe entdeckt, daß der Mandarin der zweite Sohn unseres Ye-kin-li ist.“
    Diese Worte riefen die freudigste Überraschung hervor. Alle drängten sich an die Brüder, welche vor Freude weinten und sich nicht aus den Armen lassen wollten. Es ertönten ihnen in deutscher, niederländischer und chinesischer Sprache die herzlichsten Gratulationen entgegen. Die Freunde waren fast in demselben Grad entzückt wie die Brüder selbst. Gottfried schlang seine langen Arne um die letzteren, zog sie kräftig an sich und rief: „Kommt an meine jefühlsreiche Brust, ihr Söhne der jeliebten Mitte. Ich bin jerührt. Ich fühle mich als eure liebevolle Erzieherin und muß teilnehmen an eurer Seligkeit. Kommen Sie Mijnheer, und nehmen Sie die Jungens vor die andere Seite! Wat glücklich sich jefunden hat, dat muß umärmelt werden.“
    „Ja“, antwortete der Dicke, indem er jenseits seine Arme um die Brüder schlang, was ihm aber wegen seiner Wohlbeleibtheit nicht recht gelingen wollte, „ook ik ben gelukkig; ook mij zwelt de borst; ook ik moet mijne armen om zij wringen. Ik moet mij nagenoeg snuitten, zoo onzindelijk ben ik gevoelig – Auch ich bin glücklich; auch mir schwillt die Brust; auch ich muß meine Arme um sie schlingen. Ich muß mich beinahe schneuzen, so unendlich bin ich gerührt!“
    Da liefen ihm die Tränen des freudigsten Mitgefühls in hellen Tropfen über die dicken Backen herab. Selbst die kleine Nase wurde in Mitleidenschaft gezogen, so daß endlich das geschah, was er so außerordentlich zart angedeutet hatte: er retirierte in eine Ecke, setzte sich dort auf einen Stuhl, zog sein ‚Zakdoek‘ hervor und ‚snuizte‘ sich so anhaltend und kräftig, daß die harmonischen Töne, welche er dabei hervorbrachte, alle anderen Laute verschlangen.
    Der Methusalem als der eigentliche Schöpfer dieses Glücks stand mit Richard von ferne und schaute still der Szene zu, bis die Brüder zu ihm traten, um ihm Dank zu sagen. Beide waren begierig,

Weitere Kostenlose Bücher