32 - Der Blaurote Methusalem
er oben, aber wie! Der Methusalem riet ihm, den Regenschirm zu schließen, worauf er aber nicht einging, weil, wie er behauptete, die ihm etwa Begegnenden ihm seinen Rang nicht angesehen hätten. Den Schirm in der Linken und die Zügel in der Rechten, begann er den Ritt, und zwar sehr langsamen Schrittes. Dennoch rutschte er, da er nicht fest in den Bügeln stand und die Schenkel nicht anlegte, bald herüber und bald hinüber, so daß er die Zügel an den Sattelknopf welcher sehr hoch war, band und sich mit der rechten Hand an demselben anhielt. Hätte man einen Gorilla auf ein Pferd gesetzt, so wäre die Haltung desselben wohl keine lächerlichere gewesen. Dennoch meinte er in sehr befriedigtem Ton: „Zoo is het goed. Ik ben een bijzonder ruiter – So ist es gut. Ich bin ein vorzüglicher Reiter!“
In der Freude über die Gewandtheit, welche er seiner Ansicht nach entwickelte, machte er eine lebhafte Bewegung und verlor die Bügel. Das Pferd protestierte gegen diese Unruhe, indem es vorn in die Höhe stieg, und infolgedessen rutschte der Mijnheer hinten herab. Es gab einen dumpfen Ton, wie wenn ein Wollsack auf die Erde geworfen wird, und der Dicke kam, alle vier Extremitäten samt dem Regenschirm in die Höhe streckend, auf die Straße zu liegen.
Zum Glück besaß der Gaul kein überflüssiges Feuer. Er drehte sich um, den Reiter anzusehen, und blieb so stehen, ohne sich weiter zu bewegen. Die andern standen erschrocken um Roß und Reisige, und Degenfeld fragte: „Um Gottes willen, Mijnheer, haben Sie sich etwa Schaden getan?“
„Ik? Zeer groten!“ antwortete er stöhnend, indem er Arme und Beine noch immer in die Luft streckte. „Het domme Nijlpaard heeft mij van achteren verloren. Ik ben dood; ik ben gestorven; ik ben buiten tegenspraak gestorven – Ich? Sehr großen! Das dumme Nilpferd hat mich von hinten herunter verloren. Ich bin tot; ich bin gestorben; ich bin ohne Widerrede gestorben!“
„So legen Sie doch wenigstens die Arme und Beine nieder!“
„Dat kann ik niet. Ik ben dood!“
„So müssen wir versuchen, Ihre Lebensgeister aus dem Grab zu erwecken. Es befindet sich eine Flasche Raki unter unseren neuen Vorräten. Wir werden Ihren Leichnam mit demselben einreiben.“
Da sprang der Dicke wie elektrisiert auf, machte eine Bewegung des Entsetzens und schrie: „Raki? Brandewijn? Met den brandewijn zal niet gereven worden. Ik wil hem drinken. Gedronken is hij beter dan gereven. Waar is de flesch? – Raki? Branntwein? Mit dem Branntwein soll nicht gerieben werden. Ich will ihn trinken. Getrunken ist er besser als gerieben. Wo ist die Flasche?“
Er erhielt sie und tat einen solchen Zug, daß den andern angst und bange wurde. Der Methusalem nahm sie ihm aus der Hand und sagte: „Das genügt. Ich sehe, daß Ihre Lebensgeister sich wieder eingefunden haben. Wie aber wird es nun mit dem Reiten stehen?“
„Indien ik mag de flesch dragen, zoo rijd ik straks beter dan een officier van het paardenvolk – Wenn ich die Flasche tragen darf, so reite ich stracks besser als ein Kavallerieoffizier.“
„Gut, wollen es versuchen. Aber ich mache die Bedingung, daß Sie die Bouteille nicht in der Hand, sondern in der Tasche tragen. Und um ganz sicherzugehen, werden wir, wie schon gestern abend beschlossen, Sie auf das Pferd binden.“
„Ja, ik wil op het paard gebonden zijn, dienvolgens kann ik niet van den diere valier – Ja, ich will auf das Pferd gebunden sein, dann kann ich nicht von dem Tier fallen.“
Er bekam die Flasche, welche er in die Tasche schob; dann wurde ihm wieder in den Sattel geholfen. Darauf erhielt er an die beiden Füße eine Leine, welche unter dem Bauch des Pferdes straff angezogen wurde. Dadurch bekam er festen Schluß. Er fühlte das mit großer Befriedigung und sagte vergnügt: „Zoo, nu is het goed. Wij worden rijden als die stormwinden – So, nun ist es gut. Wir werden wie die Sturmwinde reiten.“
So schlimm war es nun freilich nicht; aber es ging doch weit besser als vorher, zumal er jetzt auf den großen Schirm verzichtet hatte. Freilich, hätte er die Gesichter gesehen, mit denen die chinesischen Reiter den Vorgang beobachtet hatten, so wäre es um seine gute Laune geschehen gewesen. Diese letztere verließ ihn auch dann nicht, als er bald mittraben mußte und tüchtig zusammengerüttelt wurde. Er lachte vielmehr im ganzen Gesicht und behauptete, der beste Reiter der Welt zu sein. Von dieser Meinung wurde er selbst dadurch nicht abgebracht, daß
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