32 - Der Blaurote Methusalem
Turnerstick und der Gottfried sich stets zu seinen beiden Seiten hielten, um ihn, was sehr häufig vorkam, zu unterstützen.
Die Sonne schien nicht heiß; vielmehr war es hier oben im Gebirge ziemlich kühl, und dennoch liefen dem Mijnheer die dicken Schweißtropfen von der Stirn. Er pustete wie ein Narwal, blieb aber doch bei guter Laune.
„Das wird Ihrer Gesundheit sehr zuträglich sein“, meinte der Methusalem. „Durch das Schwitzen wird das schlechte, dicke Blut ausgeschieden.“
„Het bloed? Wordt mij dat niet zwak maken? Word niet die miltzucht, de tering en de beroerte in mij binnen kruipen – Das Blut? Wird mich das nicht schwach machen? Wird nicht die Milzsucht, die Verzehrung und der Schlagfluß in mich hineinkriechen?“
„Im Gegenteil! Sie werden ein helles und gesundes Blut bekommen und sich dann viel wohler fühlen.“
„Zal ik ook dikker worden – Werde ich auch dicker werden?“
„Hoffentlich, da gutes Blut gutes Fleisch ansetzt.“
„Goed vleesch! Heisa, voorwaarts! Ik rijd al het heelal neder – Gutes Fleisch? Juchhe, vorwärts! Ich reite das ganze Weltall nieder!“
Er schlug mit seinem Schirm in der Weise auf das Pferd ein, daß es einen weiten Satz machte und dann im Galopp davonflog. Das hatte er nicht gewollt. Einen schrillen Angstruf ausstoßend, klammerte er sich an der Mähne fest, während er Mütze, Schirm und den Teeranzen verlor. Man hörte ihn schreien: „Help, help! Voorgezien, voorgezien! Vaarwel, mijn Holland een Nederland! O wee, ik ongelukkige Nijlpaard, ik vlieg in de lucht; ik vlieg in de radijsjes een in de peterselie – Hilfe, Hilfe! Vorgesehen, vorgesehen! Lebe wohl, mein Holland und Niederland! O weh, ich unglückliches Nilpferd, ich flieg in die Luft; ich flieg in die Radieschen und in die Petersilie!“
Die andern sprengten hinter ihm her, um die verlorenen Sachen aufzulesen und sein Pferd zum Stehen zu bringen. Als das geglückt war, richtete er sich wieder auf, trocknete sich den Angstschweiß aus dem hochroten Gesicht, setzte die Mütze wieder auf, nahm den Schirm an sich, ließ sich den Ranzen wieder auf die Gewehre hängen und fragte dann: „Holla, mijne heren, was dat niet nederlandsche dapperheid en heldenmoed? Ben ik niet een roemrijken ruiter – Holla, meine Herren, war das nicht niederländische Tapferkeit und Heldenmut? Bin ich nicht ein ruhmreicher Reiter?“
„Ja“, antwortete Gottfried lachend. „Ein Glück, dat sie anjebunden waren, und die Mähne erwischten, sonst wären Sie wirklich in die Petersilie jeflogen. Ik rate Sie, den Heldenmut nicht gleich wieder in Anwendung zu bringen. Galoppieren können Sie noch nicht.“
„Ok, ik moeit zoo rijden; ik wil dik worden – Oh, ich muß so reiten; ich will dick werden.“
„Da sind Sie auf dem Holzweg. Vom Schnellreiten wird man dürr. Nur das langsame Reiten setzt Fleisch an.“
„Zoo? Werkelijk? Dan zal ik niet meer zoo gauw rijden. Ik ben namelijk zoo zwak en laar, dat mijn lichaam slap als een rokzak is – So? Wirklich? Dann werde ich nicht mehr so schnell reiten. Ich bin nämlich so schwach und leer, daß mein Körper so schlaff wie eine Rocktasche ist.“
Von jetzt an hütete er sich aus Angst vor dem Magerwerden sehr, wieder das ‚ganze Weltall niederzureiten‘. Er trieb sein Pferd nur so an, als nötig war, mit den Gefährten gleichen Schritt zu halten. Und da zeigte es sich, daß er das Reiten viel besser vertrug als das Sitzen in dem engen Palankin. Nach einer Stunde hatte er es zu einer ganz leidlichen Haltung gebracht, wohl meist infolgedessen, daß sein Gaul einen sehr glatten, ruhigen Gang hatte.
Überhaupt zeigte der Methusalem bei weitem nicht die Eile, die er gestern gehabt hatte. Er ritt immer nur im Schritt voran, schenkte der Gegend aber noch weit größere Aufmerksamkeit als gestern.
Die Gegend war jetzt geradezu hochgebirgig geworden. Man ritt durch düstere Täler, welche alter Nadelwald füllte; rechts und links folgten dann Grasflächen, über denen die Felsen nackt zum Himmel ragten. War eine solche Schlucht passiert, so stieg die Straße wieder bergan, um sich aus schwindelnder Höhe abermals steil abwärts zu senken.
Auch hier gab es Einkehrhäuser in den bereits angegebenen Abständen voneinander, doch hatte sich der chinesische Offizier die gestern erhaltene Lehre so zu Herzen genommen, daß er nicht wieder zum baldigen Rasten trieb. Erst gegen Mittag hielt der Methusalem vor einem dieser Sië-kia an, um den Pferden und Menschen eine
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