32 - Der Blaurote Methusalem
für die Damen Tee und für die Herren Raki und einen Reiswein, welcher besser war als derjenige, den sie früher getrunken hatten. Die Damen, welche nur äußerst wenig genossen hatten, da es für eine Chinesin unschicklich ist, vor fremden Augen die Hände wiederholt sehen zu lassen, wurden, nachdem sie sich höchst zeremoniell verabschiedet hatten, nach Tisch von Liang-ssi und Jin-tsian nach Hause begleitet. Die Zurückbleibenden hatten sich beim Scheiden auf das höflichste für ihr Erscheinen bedankt.
Nun war es Zeit geworden, zur Ruhe zu gehen. Der T'eu hielt Wort; er ließ sich selbst durch die dringendsten Bitten der Fremden nicht bestimmen, die ihnen zugesagten Räume für sich und seine Begleiter zu nehmen. Er schlief mit denselben in der Gaststube, in welcher gegessen worden war.
Die Schlafzimmer bestanden übrigens aus den leeren vier Wänden, in welchen niedrige Rohrgestelle standen, die mit Hilfe der mitgebrachten Decken in Betten verwandelt werden mußten. Sie waren je für zwei Personen eingerichtet. Der Methusalem war mit Richard und der Gottfried mit dem Mijnheer beisammen. Letzterer fand seine getrockneten Kleider vor und entledigte sich schleunigst des heidnischen Mantels, indem er brummte: „Deze gordijnen hat mij al mijnen lichaam opgewreven. Ik dank daarvoor en word nimmer weder in 't water vallen! Gesteid dat de lucht niet zoo goed wäre geweest, zoo wäre ik nok voor de middernacht dood; ik wäre gestorven aan de ontsteking von mij ne long en lever – Diese Gardine hat meinen ganzen Leichnam aufgerieben. Ich danke dafür und werde niemals wieder in das Wasser fallen! Angenommen, daß die Luft nicht so gut gewesen wäre, so wäre ich noch vor Mitternacht tot; ich wäre gestorben an der Entzündung meiner Lunge und Leber!“
„Ja, dat ist wahr“, stimmte der Gottfried heimlich lachend bei. „Die hiesige Luft ist ausjezeichnet; sie scheint in hohem Jrade heilsam zu sein.“
„Dat is zij, en daarom zal ik hier blijven – Das ist sie, und darum werde ich hier bleiben.“
„Ist's Ihr Ernst? Wollen Sie wirklich dat Jeschäft des Onkels Daniel kaufen?“
„Ja, ik koop al de fabriek – Ja, ich kaufe die ganze Fabrik.“
„Notabene, wenn er Lust hat, sie zu verkaufen. Prächtig wäre dat freilich. Er könnte da mit uns nach Deutschland jehen und auf seine chinesischen Lorbeeren dort ausruhen.“
„En ik hier op meinen nederlandischen peper. Doch voor hedendaags leg ik mi op dit bed. Ik wil slapen – Und ich hier auf meinem niederländischen Pfeffer. Doch für den heutigen Tag lege ich mich auf dieses Bett. Ich will schlafen!“
„Ja, aber nicht schnarchen!“
„Ik? Dat mak ik niets. Ik slaap zeer stil en mooi; dat kunt gij geloven – Ich? Das tue ich nie. Ich schlafe sehr still und artig; das können Sie glauben!“
Aber bereits nach zehn Minuten schnarchte er in der Weise, daß der Gottfried während der ganzen Nacht von Erdbeben und Kanonendonner träumte und am Morgen herzlich froh war, als er sah, daß ihn weder eine Kugel getötet noch die Erde verschlungen habe.
Als die Reisenden am andern Morgen in das Gastzimmer traten, fanden sie den T'eu schon in voller Geschäftigkeit. Er hatte gestern bereits Boten nach den umliegenden Orten gesandt, und die Sian-yos derselben waren am frühen Tag gekommen, ihm ihre Abgaben zu bringen, durch welche sie sich von dem Besuch seiner Untergebenen, der Bettler, loskauften.
Das war ein sehr lebhaftes Feilschen und Handeln, bei welchem sich aber nur derjenige seiner Offiziere beteiligte, zu dessen Bezirk diese Ortschaften gehörten. Der T'eu sprach stets nur das letzte, entscheidende Wort dazu, und der Methusalem fand, daß die Beträge, welche bezahlt wurden, äußerst gering waren. Es wurde für die Familie nach unsrem Geld kaum ein Groschen berechnet. Ledige, selbständige Personen hatten nur die Hälfte zu geben, und dafür waren diese Orte ein ganzes Vierteljahr frei von allen Bettelbesuchen. Ein chinesischer T'eu duldet in seinem Bereich keinen Armen, welcher auf eigene Rechnung betteln geht.
Nach Beilegung dieser Angelegenheit wurde gefrühstückt, wobei der Mijnheer schon wieder wacker in das Gefecht ging, und dann brach man auf.
Liang-ssi und Jin-tsian ritten natürlich auch mit. Der Dicke bat, ihn heute nicht anzubinden, und hielt sich während des ganzen Rittes auch recht leidlich im Sattel.
Was von der Bevölkerung laufen konnte, begleitete den Trupp bis hinaus vor das Dorf, wo ein Nebenflüßchen ein schmales
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