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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mächtigen Schloten.
    Degenfeld stieg zu dem Kapitän hinauf, welcher am Steuer stand, und fragte: „Was für ein Schiff mag das wohl sein, Master?“
    „Das kann Ihnen jedes zweijährige Kind sagen. In einer Viertelstunde hat es uns eingeholt und wird uns ansprechen. Es ist ein Kriegsschiff.“
    „Sehr scharf gebaut, wie es scheint.“
    „Was heißt scharf bei dieser neuen Sorte von Seejungfern! Es ist ein Kreuzer, aus Stahl gebaut. Möchte mit dem Kerl nicht in Konflikt geraten. Kommt uns aber eben recht.“
    „Wieso?“
    „Wieso? Was für eine Frage! Habe so meine Sorge gehabt, wenn ich es auch nicht sagte. Sie sind nicht Seemann und wissen nicht, was es heißt, wenn sich unter den Kerls da im Raum der Dschunke ein einziger gescheiter und unternehmender Kopf befände. Gelänge es ihnen, die Luke aufzubrechen, so wären wir verloren.“
    „Mit so mathematischer Sicherheit, wie Sie meinen, doch wohl nicht!“
    „Pah! Wer's nicht kennt, der unterschätzt natürlich die Gefahr. Wir brauchen noch Stunden, um in den Hafen zu kommen. Wer weiß, was indessen geschehen könnte. Wenn die Halunken munter werden, werden Sie etwas zu hören bekommen. Darum ist mir's lieb, daß dort der Gepanzerte kommt. Wir werden uns natürlich in seinen Schutz begeben. Dann sind wir aller Sorgen los.“
    „Ja, wenn Sie so meinen, so gebe ich Ihnen vollständig recht. Dann ist für uns nicht die geringste Gefahr mehr vorhanden.“
    „Wenn es hier einen Signalkasten gäbe, würde ich den Kreuzer ersuchen, sich mehr zu beeilen. Wie es scheint, schenkt er uns ohnedies seine Aufmerksamkeit. Er hielt erst nach Luv, ist aber, als er uns erblickte, so weit nach Lee abgefallen, daß er uns, wenn es ihm beliebt, mit dem Ellenbogen streifen wird. Sehen Sie jetzt die Rauchwolken? Er gibt mehr Dampf. Das ist ein sicheres Zeichen, daß er uns nicht traut. Wir befinden uns jedenfalls nahe der Küste, und er denkt, daß wir ihm zwischen den Untiefen entkommen wollen. Dazu will er uns nicht die Zeit lassen. In zehn Minuten ist er da.“
    „Welche Flagge führt er?“
    „Hat noch keine, wird sie aber in dem Augenblicke zeigen, an welchem er uns guten Morgen sagt. Passen Sie auf!“
    Das Panzerschiff näherte sich mit großer Schnelligkeit. Noch waren nicht fünf Minuten vergangen, so kräuselte von seinem Deck eine helle Wolke auf, und dann ertönte der Schuß.
    „Können leider nicht antworten“, sagte Turnerstick. „Haben kein Geschütz oben; stecken alle in den Kisten. Will ihm aber doch zeigen, daß wir seine Sprache verstehen. Nehmen Sie das Steuer und halten Sie es genau so wie ich bisher. Ah, ein Engländer!“
    Er deutete nach dem Kriegsschiff, auf dessen Flaggenstock jetzt die großbritannische blaue Divisionsflagge gehißt wurde; dann sprang er die Treppe hinab zum Hintermast, ließ die chinesische rotgelbe Handelsflagge, welche auf demselben wehte, herab, band sie der Länge nach zusammen, und zog sie wieder auf. Man nennt dies ‚die Flagge weht im Schau‘, und es gilt das als internationales Notzeichen.
    Dann zog er sein Messer und zerschnitt die beiden Brassen des Besansegels, welches sofort im Wind gierte. Dasselbe tat er auch mit dem Groß- und Focksegel. Die schweren Matten schlugen an die Masten, daß diese erklangen; aber das Schiff stoppte. Als er nun wieder zum Steuer kam, sagte er: „Eine schwere und gewagte Sache! Aber bei dem jetzigen Wind geht es. Wollte die Matrosen nicht wieder losbinden. Sehen Sie ihre Gesichter an! Die helle Angst schaut ihnen aus den Augen. Sie wissen, daß für sie der jüngste Tag gekommen ist.“
    Jetzt rauschte der Dampfer heran, ging hart vorbei, gab dann Gegendampf und legte bei. Die ganze Deckwache stand an Steuerbord und sah herüber. Der Kommandierende stand auf der Brücke und musterte mit scharfem Blick die Dschunke. Der Deckoffizier aber rief chinesisch herüber: „Dschuen ahoi! Nan-tao Schui-heu?“
    „Mein Himmel!“ sagte Turnerstick. „Soll das etwa chinesisch sein? Dann mag er sich einpappen lassen! Es ist keine einzige Endung dabei!“
    „Natürlich ist's chinesisch“, antwortete Degenfeld. „Er ruft: ‚Schiff ahoi! Ist's wirklich die Königin des Wassers?‘ Er ist erst an uns vorübergegangen, um den Namen der Dschunke zu lesen.“
    Und sich nach dem Kreuzer wendend, rief er: „Piratendschunke Schui-heu, aufgebracht von uns fünf Europäern. Stecken sechzig Mann im Raum, haben die Luke vernagelt. Bitten um schnelle Hilfe!“
    Der Deckoffizier wandte sich zu dem

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