32 - Der Blaurote Methusalem
worden, wenn es den Beamten nicht nach unserem Geld gelüstet hätte.“
„Das war aber vergraben.“
„Woher wissen Sie das?“
„Von Ihrem Vater.“
„So muß er Ihnen sein ganzes Vertrauen geschenkt haben!“
„Er hat mich seiner Freundschaft gewürdigt, und ich werde mir alle Mühe geben, die Hoffnungen, welche er in mich gesetzt hat, zu erfüllen. Ich weiß, daß er Ihnen nur so viel Geld gelassen hatte, wie Sie zum Leben brauchten.“
„Das hat man uns abgenommen. Da aber mein Vater reich war, so wußte man, daß unser Vermögen beiseite gebracht worden sei. Wir sollten gestehen, wo es sich befände.“
„Das konnten Sie nicht, da Ihr Vater Ihnen den Ort nicht gesagt hatte.“
„Ja. Das war sehr vorsichtig von ihm, hat uns aber große Qualen verursacht, da wir gefoltert wurden.“
„Aber es hat Ihnen auch das Leben gerettet. Hätte man das Vermögen gefunden, so wären Sie dann wohl sofort hingerichtet worden.“
„Jedenfalls. Also habe wenigstens ich mein Leben der Vorsicht meines Vaters zu verdanken; die andern aber werden wohl zu Tode gefoltert worden sein.“
„Wollen das nicht befürchten. So wie Sie gerettet worden sind, können auch sie die Freiheit wiedererlangt haben. Wie ist es Ihnen denn gelungen, aus dem Gefängnis zu entkommen?“
„Durch denselben Freund, welcher meinen Vater befreit hatte. Er öffnete auch mir den Kerker, gab mir Geld, wies mich über die Grenze von Kwéi-tschou und nannte mir einen Ort, an welchem ich auf die Meinigen warten sollte. Sie sind nicht gekommen. Darum vermute ich, daß es ihm nicht gelungen ist, sie zu befreien.“
„Warum öffnete er nur Ihnen die Tür und nicht auch den Ihrigen zugleich?“
„Das war unmöglich, da wir zu weit getrennt waren.“
„Haben Sie nicht später Erkundigungen eingezogen?“
„Viel später, ja. Aber da war eine zu große Zeit vergangen, als daß ich etwas hätte erfahren können.“
„So hätten Sie es eher tun sollen.“
„Das ging nicht an. Ich konnte mich doch keinem Menschen anvertrauen, und selbst durfte ich mich so bald nicht nach Kwéi-tschou wagen. Als ich nach fünf Jahren mich so verändert hatte, daß ich glauben durfte, nicht erkannt zu werden, reiste ich nach Seng-ho. Der Freund war gestorben, und von den Meinen wußte kein Mensch etwas.“
„Das ist traurig für Sie und unangenehm für mich. Ich muß mein Wort halten und werde also unbedingt nach Seng-ho reisen, um zu versuchen, etwas zu erfahren. Auch habe ich den Auftrag erhalten, das Geld auszugraben und Ihrem Vater zu bringen.“
„Wissen Sie denn, wo es liegt?“
„Ja.“
„Das ist gut! Aber wird es sich auch noch dort befinden?“
„Ich hoffe es.“
„Darf ich den Ort erfahren?“
„Jetzt möchte ich noch nicht davon sprechen; doch zur geeigneten Zeit werde ich Ihnen ganz gewiß das Nötige mitteilen. Sind Sie bereit, Ihren Vater in Deutschland aufzusuchen?“
„Sofort! Das versteht sich ja ganz von selbst, zumal ich so glücklich bin, ganz leidlich deutsch sprechen zu können.“
„Das haben Sie bei Herrn Stein gelernt?“
„Ja. Er wollte seine Muttersprache hören. Er wollte einen Menschen haben, mit welchem er sich in derselben unterhalten könnte. Ich hatte mir seine Zufriedenheit erworben, und so wählte er unter allen seinen Leuten mich aus und gab mir Unterricht.“
„Ist er wirklich reich?“
„Sehr reich. Er ist der reichste Mann in Ho-tsing-ting.“
„Das kann nicht viel heißen, da diese ‚Feuerbrunnenstadt‘ jedenfalls nur ein kleiner Ort ist.“
„Es war klein, ist aber, seit Herr Stein dort das Petroleum entdeckte, schnell groß geworden.“
„Und er will dort bleiben?“
„Er muß, wenn er nicht seinen ganzen Besitz verlieren will. Zwar sehnt er sich nach der Heimat, aber er findet niemand, welcher ihm die Quellen und alles, was dazu gehört, abkaufen würde. Fände er einen Käufer, so würde er sofort nach Deutschland gehen.“
„Ist er chinesischer Untertan geworden?“
„Nein. Wäre dies der Fall, so hätte er sich nicht solchen Reichtum erworben. Die Mandarinen verstehen es, dafür zu sorgen, daß der Gewinn der Geschäftsleute zum großen Teil in ihre Taschen fließt. Er ist als nordamerikanischer Bürger gekommen und ist das noch. Er steht also unter dem Schutz der Vereinigten Staaten.“
Gottfried von Bouillon hatte gesehen, daß die beiden so angelegentlich miteinander sprachen. Er schloß daraus, daß sie etwas sehr Wichtiges miteinander zu verhandeln hätten, und so trieb
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