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322 - Götterdämmerung

322 - Götterdämmerung

Titel: 322 - Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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zu und Vogelgezwitscher war zu hören. Die Gefährten atmeten auf. Rasch legten sie die letzte Strecke zum Waldrand zurück. Dort angelangt wussten sie, dass sie ihr Ziel fast erreicht hatten: Vor ihnen lag ein weites Schneefeld, auf dem sich die Spuren fortsetzten. Und am anderen Ende der Ebene erkannten sie deutlich die Umrisse eines Dorfes.
    Xij fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, sich der Siedlung weiter zu nähern. Aber was blieb ihnen für eine Wahl?
    »Je länger wir warten, umso größer wird das Risiko für Grao«, stellte Matt fest. »Irgendwie müssen wir ihn da raushauen. Wenn’s sein muss, mit Diplomatie.«
    »Das hängt davon ab«, gab Xij zu bedenken, »ob die Translatorchips uns in dieser Zeit weiterhelfen. Oder ob ich mich an die Sprache dieser Zeit erinnere. Was meinst du, in welcher Epoche wir uns befinden?«
    Der Mann aus der Vergangenheit zuckte die Schultern. »Zehntes Jahrhundert?«, mutmaßte er. Er schaute zum Himmel empor. »Auf jeden Fall ist es Winter; die Tage sind sehr kurz. Ich schätze, in einer Stunde wird es dunkel sein. Lass uns hier so lange warten und dann versuchen, Grao zu befreien!«
    Erschöpft und mit allem einverstanden, was den Gang in das unbekannte Dorf hinauszögerte, ließ sich Xij an Ort und Stelle in den Schnee sinken. Matt setzte sich neben sie und kramte in seinen Manteltaschen nach dem Proviant, den sie aus der Höhle mitgenommen hatten. Doch bevor sie sich auch nur einen einzigen Bissen in den Mund schieben konnten, krachte und knackte es plötzlich im Unterholz in ihrem Rücken. Wie aus dem Nichts flogen Netze über ihre Köpfe, Seile surrten und die groben Maschen schnürten sich um den Körper der Gefährten.
    Instinktiv warf Xij sich zur Seite. Sie versuchte den Spieß frei zu bekommen, dehnte mit Händen und Füßen die Maschen, strampelte und wand sich. Doch vergeblich; immer enger zogen sich die Schlingen zusammen, bis schließlich gar keine Bewegung mehr möglich war. Neben sich sah sie, wie Matt mit dem Messer aus der Höhle versuchte, die Maschen zu kappen. Doch als sich mehrere Pfeile neben ihm in die Erde bohrten, gab er seine Bemühungen auf. Die Warnung war eindeutig.
    Annähernd ein Dutzend Gestalten lösten sich aus dem Unterholz. Die Wikinger! Sie hatten die ganze Zeit auf der Lauer gelegen und sie passieren lassen. Xij konnte nicht fassen, dass keiner von ihnen die Wilden bemerkt hatte.
    Mit Äxten, Bogen und Spießen bewaffnet, näherten sie sich ihrer Beute. Sie trugen Wolfspelze und Lederharnische. Wilde Mähnen und blonde Zöpfe quollen unter ihren Helmen hervor. Sie sprachen kein Wort, doch der Ausdruck ihrer geschwärzten Gesichter ließ Böses ahnen.
    Während nun einige von ihnen stehen blieben und die Seile der Netze weiter spannten, beobachtete Xij, wie andere Blasrohre an ihre Lippen setzten. Kurz darauf hörte sie das Zischen der Pfeile. Spürte, wie zwei der Geschosse sie an Hals und Arm trafen wie Wespenstiche.
    Übelkeit stieg in ihr auf. Schleier zogen vor ihr Blickfeld und Taubheit lähmte ihre Glieder. Sie fühlte noch, wie sie angehoben und weggetragen wurde. Dann versank sie in merkwürdige Träume.
    Darin wanderte sie durch eine Schneelandschaft hin zu einem großen Zelt. Es hatte die Form eines Schiffes. Lichter flackerten durch die bunten Stoffplanen und fremdartige Musik drang aus seinem Inneren. Als sie es betrat, wurde sie von einem Dutzend Männer empfangen. Sie halfen ihr aus dem Mantel, reichten ihr Trauben und Wein und forderten sie auf, das Lager mit ihnen zu teilen.
    Xij Hamlet kam dem Anliegen der Fremden nach. Während sie mit den Männern schlief, flüsterten diese ihr merkwürdige Dinge ins Ohr. Sie wünschten ihr eine gute Reise und richteten Grüße an Xijs Herrn aus. Welchen Herrn? , fragte sie sich verwirrt. Doch plötzlich waren die Fremden verschwunden. Nackt stand sie in der Mitte des Zeltes einer uralten Frau gegenüber. »Das Gesetz muss erfüllt werden«, flüsterte diese. Dabei umklammerten ihre knochigen Finger einen Dolch.
    Während Xij auf die glänzende Klinge in den Händen der Alten starrte, begann ihr Blickfeld wieder zu verschwimmen. Sie fror. Sie zitterte. Sie schrie. Panisch riss sie die Augen auf und stellte irritiert fest, dass sie sich nun in einer Hütte befand. Sie lag auf einem harten Lager, war an Händen und Füßen gefesselt und von kalten Steinwänden umgeben. Von irgendwo her waren Kinderstimmen zu hören. Xij neigte den Kopf in Richtung der Stimmen und sah ein Dutzend

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