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322 - Götterdämmerung

322 - Götterdämmerung

Titel: 322 - Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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sie. Großmütig verringerte sie die Geschwindigkeit und gab den schweißnassen Tieren Gelegenheit zum Verschnaufen.
    ***
    Es war gegen Mittag, als sie endlich das Dorf Lom erreichte. »Ich bin es, Widda! Öffnet das Tor! Ich will zu Urg, dem Göttersprecher!«, rief sie den Wächtern auf den Palisaden zu. Mehr als verwundert kamen diese dem Wunsch nach. Es war lange her, dass die alte Widda Lom mit ihrem Besuch beehrt hatte. Seit Efstur dem Riesen die Sklavin geraubt hatte, hatte niemand aus Jotunheimen mehr gewagt, sich hier blicken zu lassen. Doch jeder wusste, dass Loms Göttersprecher mit der alten Widda immer noch in Verbindung stand und sie hin und wieder in ihrer Waldklause besuchte.
    Als Widdas Schlitten nun über den großen Marktplatz hinter den Palisaden rauschte, strömten die Lomer neugierig aus ihren Häusern. Die Seherin schien das nicht weiter zu scheren. Seelenruhig kletterte sie aus dem Schlitten und schlug sogar einen Befehlston an.
    »Versorgt meine Tiere!«, rief sie den Burschen bei den Stallungen zu. »Reibt sie trocken und gebt ihnen Futter. Ich muss bald wieder aufbrechen.« Den Fjelfress an ihrer Seite, marschierte sie unter den Blicken der Dorfbewohner schnurstracks zum Haus des Göttersprechers.
    Urg staunte nicht schlecht, als die Seherin plötzlich in seiner Hütte stand. »Was machst du hier? Ist etwas mit dem Jungen?«
    »Nein, Glymjandi geht es gut. Es sind dringlichere Dinge, wegen derer ich komme. Ich hoffe, euer einäugiger Häuptling liegt wie üblich betrunken auf seinem Lager und wir können ungestört reden.«
    »Sei unbesorgt. Außer, dass es einige Kinder mehr in Lom gibt, hat sich seit deinem letzten Besuch hier nichts geändert.«
    Nachdem Urg Widda mit warmen Decken und heißem Tee versorgt hatte, nahm er ihr gegenüber auf einem Sitzkissen Platz. Er streichelte den Fjelfress, der sich schnurrend an Urgs langen Beinen rieb. Dann schenkte er Widda ein warmes Lächeln. »Was also führt dich her?«
    Ohne Umschweife berichtete ihm die Seherin von den Ereignissen, die sich beim Feuertor und in Jotunheimen abgespielt hatten. Dabei verschwieg sie ihren Irrtum, was die Gesandten der Götter anging. Im Gegenteil. Sie log, ohne rot zu werden. »Ich habe diesem engstirnigen Häuptling aufgetragen, die Fremden auf dem Gletscher zu unterstützen. Doch vor lauter Angst konnten seine Leute nicht mehr zwischen Gut und Böse unterscheiden.« Nachdem sie den versöhnlichen Ausgang der Dinge erläutert hatte, nippte sie schweigend an ihrem Teebecher.
    Urg, der ihr die ganze Zeit ungläubig an ihren Lippen gehangen hatte, blickte sie nun mit glänzenden Augen an. »Oh, wie gerne wäre ich dabei gewesen letzte Nacht. Leibhaftige Götterboten und Fenrir, der Götterwolf!«
    »Ja, ich weiß, wie viel dir das bedeutet hätte. Noch sind sie nicht aufgebrochen zum Feuertor. Und wenn du mich fragst, wird es noch eine Weile dauern: Ein Unwetter braut sich im Norden zusammen.«
    Urgs Augen wurden schmal. Nachdenklich strich er sich über seinen kahlen Schädel. »Meinst du, Efstur wird Boten zu den anderen Stämmen schicken, um sie über die Fremden zu verständigen?«
    »Sicherlich wird er das. Und zwar dann, wenn das Werk erfüllt ist und der Elf und der Held mit Fenrir in der Feuerpforte verschwunden sind. Rühmen und brüsten wird er sich mit seinen Heldentaten. Und ein Ehrenplatz an Odins Tafel ist ihm gewiss.« Widda hatte jedes Wort mit Bedacht gewählt. Nun beobachtete sie zufrieden, wie Urg die Hände rang. Ein bitterer Ausdruck überzog sein hageres Gesicht.
    Vor weniger als dreißig Winter noch hätte sie dieses vertraute Gesicht einfach in ihre Hände genommen und geküsst. Oh, wie hatte sie es damals verstanden, den Göttersprecher mit Körper und Geist zu trösten und ihm Mut zuzusprechen. Doch auf ihrer Beziehung lag kein Segen. Urg und sie zeugten einen Kleinwüchsigen, Glymjandi! Seither gehörte ihre Liebe der Vergangenheit an. Jetzt ging es um die Zukunft. Um Widdas Zukunft!
    Sie beugte sich dicht an sein Ohr. »Hör zu, alter Mann. Der Häuptling von Jotunheimen würde niemals Boten nach Lom schicken. So oder so wärst du nicht eingeladen zum großen Ritual, das schon bald auf dem Gletscher stattfinden wird.«
    Urg wand sich unter ihren Worten. »Ich weiß«, zischte er und biss sich vor Wut in die Faust.
    »Und ich weiß, dass es nicht richtig wäre. Ich habe geträumt, dass du es sein wirst, der die Fremden zur Feuerpforte führt. Du bist der Auserwählte. Also zögere nicht,

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